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Lieber Drill als Mandrill

Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (205): Der schwarzgesichtige Affe ist ein tagaktiver Allesfresser im Regenwald

Affiges Foto vom Drill Foto: Hartmut Inerle

Von Helmut Höge

Der Drill ähnelt dem Mandrill, beide zählen zu den Pavianartigen. Es gibt einen Verein Rettet den Drill. Er geht auf die Initiative eines Tierpflegers im Zoo Hannover zurück. Auf der Internetseite des Vereins heißt es: „Täglich wird weltweit eine Regenwaldfläche von der Größe des gesamten Lebensraumes des Drills abgeholzt. Täglich haben wir die Möglichkeit, etwas dagegen zu tun.“ Zum Beispiel mit einer „tierärztlichen Unterstützung für die Drill Ranch in Nigeria“. Der Verein unterstützt Projekte der Pandrillus Foundation: zwei in Nigeria, eins in Kamerun.

Die Pandrillus Foundation wurde zum Schutz und Erhalt dieser Spezies gegründet. 1996 erhielt die Mitbegründerin Lisa Gadsby dafür den „Whitley Award“. „Was Jane Goodall für die Schimpansen ist, ist Liza Gadsby für die Drills,“ schrieb die Wuppertaler Rundschau 2019 anlässlich eines Besuchs der US-Biologin im Wuppertaler Zoo, dessen Drill-Anlage sie lobte.

In Nigeria und Kamerun beobachtete die Forscherin, wie junge verwaiste Drills für den Haustierhandel oder den Verzehr von Buschfleisch angeboten wurden. Dagegen gründete sie 1988 Pandrillus und startete mit dem Biologen Peter Jenkins ein ehrgeiziges Schutzprogramm. Sie organisierten Interessengemeinschaften mit einheimischen Jägern, starteten Aufklärungskampagnen und errichteten Auffangstationen. Sie schafften außerdem Arbeitsplätze und förderten den Ökotourismus in den Regionen. Zukünftig planen sie Auswilderungsprojekte in angrenzenden Schutzgebieten. Der Wuppertaler Zoodirektor Arne Lawrenz wird dazu von der Rundschau mit dem Satz zitiert: „Zur Auswilderung dient nur ein gesunder Tierbestand dem Artenschutz.“

Es gibt noch eine Schweizer Organisation namens Tengwood, die ebenfalls Projekte zur Rettung der Drills durchführt. Sie verspricht: „Wir werden unsere Ziele durch Basisarbeiten in Afrika erreichen können.“ Nicht nur seien die noch lebenden Drills vom Aussterben bedroht, „der Drill-Affe ist einer der am wenigsten erforschten Primaten Afrikas!“

Zudem seien die Drills auch noch sehr selten in Zoos anzutreffen. „Somit haben die meisten Menschen noch nie einen Drill lebend gesehen, wahrscheinlich sogar noch nie ein Foto von ihnen. Weil die Drills und Mandrills sehr ähnlich sind, entschieden sich die Zoos meist für den farbenfrohen Mandrill.

Vielleicht auch deswegen, weil der Mandrill in viel höherer Zahl vorhanden war und ist, und somit einfacher zu beschaffen war. Auch das Verbreitungsgebiet der Drills war und ist um einiges kleiner als das der Mandrills. Zudem vermehren sich Drills sehr schlecht in Zoos. All das ist fatal: Sie sind sowohl in Freiheit als auch in Gefangenschaft vom Aussterben bedroht. Sie werden auch die „vergessenen Affen Afrikas“ genannt, heißt es auf „zoo.saarbrücken.de“, der Zoo ist an der Kam­pagne „Rettet den Drill“ beteiligt.

Der Drill ist eine Meerkatzenart, diese Allesfresser sind tagaktiv und nomadisieren als Gruppen durch den Regenwald. Laut Wikipedia sind sie „kaum außerhalb des Schutzes der dichten Vegetation anzutreffen. Sie leben in erster Linie am Boden.“ Bei älteren Männchen färbt sich nicht ihr Gesicht (wie beim Mandrill), sondern ihr Hinterteil wird leuchtend blau-violett und ihre Unterlippe grell rot mit einem weißen Kranz. Die Männchen markieren ihr Revier mit einem Sekret aus Brustdrüsen und kämpfen um einen Harem.

„Das Leben eines dominanten Männchen ist sehr hart“, heißt es auf der Internetseite „tengwood.org“. „Beispiel: Kommen während der gleichen Zeit mehrere Weibchen in den Östrus, so ist es für das dominante Männchen unmöglich, alle Weibchen zu decken. Daher nehmen die jungen Männchen die Chance wahr und verschwinden mit aufnahmefähigen Weibchen in den Wald, um sich zu Paaren.“ Bei einer Gruppe haben einige genetisch orientierte Biologen sich die Mühe gemacht und bei allen Jungtieren einen Vaterschaftstest durchgeführt, dabei kam heraus, dass das dominante Männchen bei keinem einzigen Kind der Vater war.

Der natürliche Lebensraum dieser Affen – Kamerun, Nigeria und die Insel Bioko – umfasst kaum 30.000 Quadratkilometer. Man schätzt, dass in Freiheit nur noch rund 3.000 dieser Tiere leben. In den Zoos weltweit 272, im Drill Rehabilitation Center des nigerianischen Alfi Mountain Parks weitere 50 Tiere. Gerettete kleine Drills kommen von dort auf die Drill-Ranch: eine Aufzuchtstation und ein Rehabilitationszentrum, gegründet vor 30 Jahren von Liza Gadsby.

Der Deutschen Welle erzählte sie: „Niemand wusste etwas über sie, die Wissenschaft hatte sie übersehen. Und so machten wir uns 1989 auf, all die Gegenden zu untersuchen, in denen sie sich aufhalten könnten und einige Gebiete außerhalb, um zu sehen, ob sie noch immer dort anzutreffen waren. Wir ermittelten so ihre Verbreitungsgebiete und wo sie konkret immer noch lebten. Wir fanden 12 verschiedene Waldgebiete, drei von ihnen in Nigeria, die anderen in Kamerun. Aber insgesamt sind alle nur 35.000 Quadratkilometer groß – das ist kleiner als die Schweiz. Ihr Verbreitungsgebiet war vermutlich schon immer nur so groß gewesen, und damit ist es eines der kleinsten überhaupt, das irgendeine Primatenart in Afrika beherbergt.“

Der ökonomische Druck auf ihren Lebensraum nimmt ständig zu

Es schrumpft dazu noch ständig: Nigeria hat zwischen 1990 und 2005 beinahe 80 Prozent seiner natürlich gewachsenen Wälder verloren. Artenschützer wie Liza Gadsby sehen bei weiteren Waldverlusten keine Chance mehr für die Drills. Ähnlich ist die Situation in Kamerun, wo die im Korup-Nationalpark lebenden Drills vom Zoologen Christos Astaras studiert werden. Der ökonomische Druck auf ihren Lebensraum nimmt auch dort ständig zu: „Dieser Druck macht sich mittlerweile selbst im Herzen der am besten geschützten Parks in der Region bemerkbar. Klar, dass dort viele Arten verschwinden werden. Mit großen Säugetieren wie dem Riesenschuppentier, dem Leoparden und der Goldkatze ist das bereits geschehen. Elefanten und einige Primatenarten werden die nächsten sein.“

Das Überleben all dieser Tiere hängt Liza Gadsby zufolge vor allem davon ab, ob es gelingt, den Menschen, die um diese Parks siedeln, eine „Lebensgrundlage zu sichern“, damit sie nicht den Drills und anderen Tieren die Lebensgrundlage nehmen. Sie hat dazu im Rahmen ihrer Möglichkeiten, wahrscheinlich einem geerbten Vermögen, das alte „Serengeti“-Konzept des Frankfurter Zoodirektor Bernhard Grzimek noch einmal im Kleinen realisiert.

Ihr Partner Peter Jenkins ist inzwischen bei der Regierung des nigerianischen Bundesstaates Cross River angestellt, um offiziell gegen Wilderer und die Lebensraumzerstörung der Drills in den Schutzgebieten vorgehen zu können.

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