AfD, Mpox und der Leipziger CSD: Finstere Zeiten

Selbstbewusste Nazis, betrunkene Deutsche und ausgebeutete Asylbewerber: Es gibt aktuell nicht so viele Gründe, optimistisch zu sein.

Neonazis zeigen beim CSD in Leipzig das Symbol für „White Power“, 17.08.2024 Foto: Sebastian Willnow/dpa

taz: Frau Irmschler, was war schlecht vergangene Woche?

Paula Irmschler: Die AfD liegt in sämtlichen Umfragen vorn oder zu weit vorn und Nazis fühlen sich dadurch bestärkt. Bei der Gegendemo gegen den Leipziger CSD am Samstag sah man (wie zuvor schon in Bautzen), dass die Demons­tranten erschreckend jung und erschreckend selbstbewusst sind. Man sah auf Videos, dass an diesen Demonstrationen teilweise Kinder teilgenommen haben – und das waren keine, die von ihren Eltern mitgeschleppt wurden. Die unmittelbare Zukunft sieht eh finster aus, aber wenn wir kommende Generationen auch noch verlieren …

taz: Und was wird besser in dieser?

Irmschler: Ich hab doch gerade gesagt, es sieht finster aus! Die Wahlen im Osten sind so nah, viele antifaschistische Gruppen im Osten bangen um ihre Existenz und Räume, wie soll da gerade irgendwas besser werden. Wake me up when September ends.

taz: Die algerische Boxerin Imane Khelif klagt gegen X, ehemals Twitter, nachdem sie einer transfeindlichen und sexistischen Hetzkampagne ausgeliefert war. Warum haben Musk und seine Plattform X weiterhin so viel Macht?

Irmschler: Na, weil er reich und ein kaltblütiges Arschloch ist. Und zu Imane Khelif kann man eh nur sagen: You go, girl!

taz: Auch in Maßen ist Alkohol nicht gesund, sagt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung und änderte ihre Empfehlung. Deutsche würden doppelt so viel konsumieren, wie der weltweite Durchschnitt. Kann sich Deutschland von seinem Kulturgut trennen?

Irmschler: Absolut unvorstellbar, klar. Vielleicht muss man den Deutschen doch noch irgendwas geben, ähnlich wie Leuten, die aufhören sollen zu rauchen (Du darfst eine Einzige an deinem Geburtstag oder Silvester). Ich schlage, auch aus persönlichen Gründen, den Kölner Karneval vor.

taz: Mpox breitet sich auch in Europa aus. Das RKI gibt bisher Entwarnung und fürchtetet keine covidähnlichen Zustände. Cool bleiben oder Klopapier hamstern?

Irmschler: Ich weiß noch, wie es am Anfang von Corona hier und da hieß: „Jetzt betrifft es auch mal uns“ – und man an Demut appellierte. Dafür wäre jetzt Gelegenheit. Plus Solidarität, gucken, wo man unterstützen kann und sich nicht schon wieder nur um sich drehen. Und Pro-Tipp: Po-Dusche!

taz: 45 Prozent der CDU-Mitglieder würden laut einer Forsa-Umfrage eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht vollkommen ausschließen. Wo ist die Brandmauer, wenn man sie braucht?

Irmschler: Ach … hab ich schon erwähnt, dass alles gerade sehr finster aussieht?

taz: Die rechtsextreme Zeitschrift Compact darf vorerst wieder erscheinen. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verbot vorläufig aufgehoben. War es den Versuch wert?

Irmschler: Ja. Dass Rechte das jetzt ausschlachten, ist schlecht, aber das ist nun mal das, was sie tun. Es darf aber nicht davon abhalten, dass man sie weiter bekämpfen muss, wo es nur geht.

taz: Im Saale-Orla-Kreis gilt seit Jahresbeginn eine Arbeitspflicht für Asylbewerber. Aus Sicht der Behörden hat sich die Maßnahme bewährt. Bescheuert oder sinnvoll?

Irmschler: Bescheuert, menschenverachtend, ekelhaft. Sie bekommen übrigens 80 Cent pro Stunde. Aber „die Behörden“ stehen sowieso immer auf der falschen Seite, weil sie Armut nur verwalten.

taz: Sie sitzen am heutigen Montag, den 19. August in Dresden auf einem Podium der Pen Berlin-Reihe „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“. Gibt es etwas, von dem Sie denken, dass sie es nicht mehr sagen dürfen?

Irmschler: Natürlich darf man im juristischen Sinne sehr viel sagen. Ob man mit den Konsequenzen klarkommt und ob die Konsequenzen die richtigen sind, darüber sollten wir weiterhin diskutieren. Wenn Leute Jobs und Posten verlieren, mit massivem Hass im Netz überschüttet werden oder zu Hause bedroht werden, dann muss man natürlich genauer hingucken. Trotzdem ist es keine Cancel Culture, wenn einem Leute widersprechen. Was früher ohne Widerspruch durchging, geht es vielleicht heute nicht mehr, weil von Diskriminierung Betroffene sich besser äußern können. Die Diskurse gehören nicht mehr nur den privilegierten Männern. Wichtig ist, Räume zu erhalten, in denen Menschen sprechen können, offline sowie online. Wo ich wieder bei den Zumutungen bin, denen zivilgesellschaftliche Gruppen im Osten gerade ausgesetzt sind … herrje. Also: Was ich zum Beispiel gern mit Behörden machen würde, die geflüchtete Menschen dazu zwingen, für 80 Cent die Stunde zu arbeiten oder mit den Nazis, die im Osten gegen CSDs demonstrieren, würde ich hier jetzt zum Beispiel lieber nicht hinschreiben.

Paula Irmschler ist Autorin und übernimmt als Urlaubsvertretung den Wochenrückblick von Friedrich Küppersbusch

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.