Olympische Sprechakte: Being Thomas Bach

Unser Olympia-Autor wird berührt vom Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees – und benimmt sich danach eigenartig.

Olympisches Happihappi: Manchmal hat IOC-Chef Thomas Bach auch Hunger.

Olympisches Happihappi: Manchmal hat IOC-Chef Thomas Bach auch Hunger Foto: David Goldmann/dpa

Irgendetwas ist anders, seit es geschehen ist. Den ganzen Tag gehen mir diese olympischen Phrasen wieder und wieder durch den Kopf. „Die Athleten sind das Herz der Spiele“, ist einer dieser Sätze. Einmal erwische ich mich sogar dabei, wie ich ihn im Pressezentrum immer wieder laut vor mich hinsage. Als sich in der Handball-Arena im Süden der Stadt die Mannschaften vor dem Spiel aufstellen, möchte ich sie am liebsten ansprechen.

Die Sätze dafür liegen in meinem Kopf bereit. „Liebe Athleten, das ist der Höhepunkt eurer olympischen Reise. Ihr seid als Athleten nach Paris gekommen. Jetzt seid ihr Olympioniken.“ Ich möchte mich zwicken, beißen, schlagen. Ich möchte ihn irgendwie wieder rausbekommen aus meinem Schädel, diesen olympischen Predigtton, der sich da in mir festgesetzt hat.

Doch es geht weiter: „Wenn ihr das olympische Dorf betretet, werdet ihr wie Generationen von Olympioniken zuvor feststellen: Jetzt bin ich Teil von etwas, das größer ist, als ich selbst. Jetzt bin ich Teil eines Ereignisses, das die Welt in Frieden vereint.“ Ich habe nun wahrlich schon viel Unsinn zusammenfantasiert in meinem Leben, aber so einen Schmarrn im Kopf zu haben, das ist dann doch eine neue Erfahrung. Was ist nur los mit mir? Liegt es wirklich an dieser unheimlichen Begegnung vorhin im Zielbereich des Triathlonrennens?

Dafür ist die taz nun wirklich nicht gegründet worden

Der Wahnsinn will gar kein Ende nehmen. Die nächsten Sätze machen sich in meinem Hirn breit. „In unserer olympischen Welt gibt es keinen Globalen Süden, keinen Globalen Norden. Wir alle respektieren die gleichen Regeln und uns gegenseitig – in unserer olympischen Welt, zu der wir alle gehören.“ Wer hat sich diesen Unsinn nur ausgedacht?

Das weiß ich natürlich. Es sind Sätze aus der Ansprache von Thomas Bach bei der Eröffnung der Olympischen Spiele. Sind die Sätze des Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees wirklich auf mich übergangen, als er sich vorhin mithilfe seiner sehr zahlreichen Bodyguards an mir vorbeigedrängelt hat, um Cassandre ­Beaugrand, der Siegerin des Frauentriathlons, einen Glückwunsch aufzuzwingen?

Thomas Bach hat mich dabei berührt. Ist dabei etwa der olympische Geist auf mich übergegangen? Hat er mich nun im Griff? „Unser Traum wird heute wahr.“ Schon geht es weiter: „Eine Wahrheit, die für jeden offensichtlich ist. Olympioniken von überall auf der Welt zeigen, zu welcher Größe die Menschheit in der Lage ist.“ Ich will diese Gedanken nicht denken.

Was werden meine Kollegen in der Redaktion nur sagen, wenn ich jetzt auch noch anfange, solche Texte zu schreiben? Für so eine gequirlte Kacke ist die taz nun wirklich nicht gegründet worden. Ich brauche einen Abend olympiafrei. Vielleicht hilft das. In diesem Sinne, liebe Leserinnen und Leser: „Seid wie die olympischen Athleten von der Freude, die uns nur der Sport geben kann, inspiriert.“

Oh je!

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