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: HELMUT HÖGE über die Antikriegsbewegung

„Out Now!“ oder langsamer Rückzug?

Die Vietnam-Protestbewegung begann einst in Kalifornien und weitete sich von da über nahezu die ganze Welt aus. Ähnliches erhoffen sich nun auch die Aktivisten des „Anti-Irak-Movements“. Jüngst diskutierten die „American Voices Abroad“, die „Democrats Abroad“ und einige Amerikaner bei den Grünen darüber mit dem linken US-Aktivisten Tom Hayden im Kreuzberger Lokal Max und Moritz, danach referierte er in der FU.

Der ehemalige Vorsitzende des amerikanischen SDS (Students for a Democratic Society) engagiert sich bereits seit 45 Jahren in diversen sozialen Bewegungen. Und im Gegensatz zu seiner ersten Frau, Jane Fonda, hat er sich dabei nicht von der Macht korrumpieren lassen, im Gegenteil: Tom Hayden wirkt immer mehr wie ein bescheidener Arbeiter aus Detroit.

Unaufgeregt und dabei nach seinem langen Flug ein Schnitzel essend erklärte er, „how to get Americans Left back on the track“. Dabei, so meint er, gebe es drei Weltsichten bzw. -perspektiven: das Empire-Konzept, die multipolare Weltordnung und den Fokus auf Bewegungen. Er favorisiere Letztere, und dazu gehöre auch das „Anti-Irak-Movement“, das eine Anti-Empire-Bewegung sei und in vielen Ländern die Politiker bedränge, aus der Allianz mit Bush auszuscheren.

Tom Hayden ist zurzeit in mehreren „Movements“ (so auch der Titel seines nächsten Buches) aktiv: 1. In der Antikriegsbewegung, wobei er im Gegensatz etwa zu Naomi Klein für einen sofortigen Rückzug der US-Truppen votiert. 2. In der Antirekrutierungsbewegung, die u. a. Deserteure in Kanada betreut. „Inzwischen kann die Army nur noch Drogenabhängige und Kriminelle rekrutieren und diese auch nur, indem sie ihnen vorlügt, dass sie bei Naturkatastrophen eingesetzt werden.“ 3. In der Bewegung für globale Gerechtigkeit, die ihren ersten Höhepunkt in Seattle erlebte und u. a. gegen Naphta und Gatt kämpft. 4. In der Bewegung für eine swetshopfreie Ökonomie.

Eine Partei kann seiner Meinung nach keine soziale Bewegung repräsentieren, dennoch engagiert sich Hayden bei den Demokraten und auch in Präsidentschaftswahlen – zuletzt unterstützte er Dean, „dessen Kampagne eher sozial als politisch war“, und dann den ebenso standpunkt- wie charakterlosen Kerry– „egal, was er sagte“.

Hayden ist davon überzeugt, dass die „Irakisierung“ des Konflikts trotz der Wahlen scheitern wird: „Wenn irakische Soldaten kämpfen, werden sie wie in Vietnam verlieren.“ Ein weiteres Szenario sieht er in einer „Nobody wins“-Situation: „Damit bleibt der Krieg auf dem Bildschirm (Bush versucht dagegen anzugehen)“, aber real werden immer mehr Kriegsanstrengungen notwendig: „Escalation comes from weakness!“ Also „noch mehr Bomben und weitere Rekrutierungen sowie Versuche, die Wehrpflicht klammheimlich wieder einzuführen. Der Widerstand der Iraker kann jedoch nicht militärisch zerstört werden.“

Ebenso wie kürzlich der demokratische Senator Kennedy warb auch die im Irak an die Regierung gelangte „schiitische Liste“ für einen „Zeitplan des Rückzugs“. Tom Hayden hat dafür auf seiner Webpage die „Kosten des Krieges“ aufgelistet, weil diese zunehmend zu einem „winning political issue“ werden, zumal die „Koalition der Willigen“ untergehe zugunsten einer „Koalition der Unwilligen“. Berlusconi sei schon so gut wie geschlagen. Unwilligkeit errege daneben auch das Engagement der USA in anderen Ländern, zum Beispiel in der Ukraine.

Als realistische Forderung der „Antiwar-Strategy“ für den Irak („Out Now!“) schwebt ihm eine Art „Stormont-Abkommen“ vor, wie es für den Nordirlandkonflikt ausgehandelt wurde, wobei die Gegner alle ihre Waffen behielten – und die Gewalt dennoch nahezu gegen null zurückging. „80 Prozent aller Amerikaner begreifen den Vietnamkrieg als einen Fehler – heute! Genauso werden sie einmal über den Irakkrieg urteilen. Erst haben alle auf die Wahlen dort gesetzt – und gehofft, dass der Krieg dann zu Ende sein wird, aber inzwischen ist er sogar noch eskaliert. Und immer mehr Iraker sind gegen die USA eingestellt.“

Aus dem Publikum kam dazu der Einwand: „Viele Amerikaner sehen es aber nach wie vor lieber, wenn die Terroristen im Irak bekämpft werden und nicht auf den Straßen Amerikas.“ Darauf erwiderte Hayden: „Wenn der 9. 11. nicht gewesen wäre, hätte Kerry gegen Bush gewonnen!“ In Bezug auf das allzu „breite Dach Demokratische Partei“ fügte er hinzu: „Es gibt darin viele 68er-Aktivisten, die nie etwas anderes gemacht oder gelernt haben – und deswegen politische Karrieristen wurden.“

Dabei habe sich, so Hayden weiter, wie immer das „Gesetz der Oligarchie“ (die Herrschaft der wenigen) durchgesetzt. Schrecklich!“