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Mechatronikerin statt Friseurin

GIRLS’ DAY Mädchen mit Migrationshintergrund greifen verstärkt nach Männerberufen. Aber auch der Boys’ Day ist ein Erfolg: Mehr Jungs wollen Erzieher oder Pfleger werden

Mädchen haben meist bessere Zeugnisse als Jungs – und sind bei Arbeitgebern begehrt

VON HEIDE OESTREICH UND SIMONE SCHMOLLACK

Sie hat sensationell lange Fingernägel – mit denen sie ganz problemlos einen Roboter bei Ford neu programmiert. Derya hat mal beim Girls’ Day mitgemacht, bei Ford in Köln. Es hat ihr so gut gefallen, dass sie nun Maschinenbau studiert und zugleich eine Ausbildung als Industriemechanikerin macht.

Eine Karriere, wie sie sich die InitiatorInnen des Girls’ Day nicht schöner wünschen können. Deryas Berufswahl haben sie deshalb in einem kleinen Film auf ihre Homepage gesetzt.

Noch nie hätten so viele Unternehmen und Institutionen ihre Türen zum Girls’ Day geöffnet wie in diesem Jahr, erklärte Almut Borggrefe, Landeskoordinatorin, jüngst in Berlin. Für 33.000 Mädchen und Jungen wird es daher heute deutschlandweit sogenannte Schnupperpraktika und mehr als 4.600 Veranstaltungen geben.

Seit 2001 gibt es diesen Tag, an dem bisher gut eine Million Mädchen in sogenannte Männerberufe hineinschnuppern und sich überlegen konnten, ob Mechatronikerin oder Physikerin für sie als Beruf infrage kommt. Knapp 40 Prozent von ihnen konnten sich nach dem Girls’ Day 2011 ein Praktikum oder eine Ausbildung in einem klassischen „Männerberuf“ vorstellen.

Unternehmen wie Daimler, die Telekom oder Siemens öffnen ihre Türen seit Jahren für Schülerinnen. Sie wissen: Viele der Mädchen, die einmal bei ihnen waren, bewerben sich später. Damit kommen sie auf einfache Weise zu gutem Personal. Denn Mädchen haben in der Regel bessere Zeugnisse als Jungen.

Die Idee zum Girls’ Day entstand, weil sich die Mädchen in nur wenigen überlaufenen und dazu noch schlecht bezahlten Ausbildungsberufen drängeln: Sie werden etwa Kauffrau, Sekretärin, Erzieherin oder Krankenschwester. Bei den Jungen ist das Spektrum breiter, kaufmännische und technische Berufe sind stärker vertreten. Auch bei der Fach- und Hochschulausbildung gibt es ein ähnliches Ungleichgewicht. Der Girls’ Day soll das ändern – und hat einigen Erfolg, wenn man die Statistik betrachtet: So hat sich die Zahl der Frauen in Ingenieurberufen von 2007 bis 2011 um 24 Prozent erhöht, die der Naturwissenschaftlerinnen sogar um 35 Prozent. Mechatronikerinnen wollten 30 Prozent mehr Mädchen werden. Besonders Mädchen mit Migrationshintergrund, die eher pragmatisch bei ihrer Berufswahl vorgehen und nach Verdienst und Beschäftigungschancen schauen, nehmen diese Chancen wahr.

Parallel zum Girls’ Day hat sich seit 2005 langsam – und zunächst regional – der Boys’ Day etabliert: Er soll Jungen sogenannte Frauenberufe, etwa im pflegerischen und erzieherischen Bereich, nahebringen. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) hat sich im vergangenen Jahr für den Boys’ Day starkgemacht, sodass er nun zum zweiten Mal bundesweit stattfindet. Sogar der Beruf Hausmann wird angeboten: In Haushaltskursen können sich Jungs in als „typisch weiblich“ verrufenen Fertigkeiten üben. Die meisten Angebote erhielten sie 2011 von Kitas und Pflegeheimen – danach hielten 56,4 Prozent von ihnen Berufe in der Pflege, Erziehung und im sozialen Bereich für abwechslungsreich, bei den technischen und naturwissenschaftlichen Berufen waren es mit 52,2 Prozent etwas weniger.

Als beliebtester Beruf galt nach dem Boys’ Day 2011 unter allen Teilnehmern der Erzieherberuf – eine kleine Sensation. Einschränkend muss man dazu aber sagen, dass sich die Jungen traditionell auf hundert verschiedene Berufe verteilen. Es wollten nämlich nur 5,3 Prozent von ihnen mit Kindern arbeiten – aber immer noch mehr als die 5,1 Prozent, die Mechatroniker werden wollten.

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