NICHTS AN DER CDU/CSU-SOZIALPOLITIK IST RÄTSELHAFT : Merkels teurer Sozialmarkt
Nur weil die Union ihr Wahlprogramm noch nicht vorgelegt hat, ist es doch kein Rätsel. Was die Konservativen vorhaben, ist bereits deutlich zu sehen. Bei CDU wie CSU sind die Kenner und Liebhaber der sozialen Sicherungssysteme in den vergangenen Jahren durch ihre Gegner ersetzt worden. Die neue Generation hält den Markt für geeignet, die Menschen gegen ihre Lebensrisiken abzusichern, namentlich Alter, Pflegebedürftigkeit, Krankheit. Wo immer die moderne Union gefragt wird, erklärt sie zunächst, dass sie niemandem etwas Böses will, und dann, dass die private Kapitaldeckung der solidarischen – wenn man so will: sozialistischen – Umlage vorzuziehen sei.
Die Frage lautet nicht, ob, sondern wie und wie schnell eine Unionsregierung das Gesundheits- und Pflegesystem zunächst filetieren und dann privatisieren würde. So hat Merkel zum Beispiel ihre „Kopfpauschale“ so berechnen lassen, dass Zahnersatz und Krankengeld gar nicht enthalten sind. Daraus dürfen wir schließen, dass beide Leistungen unter Merkel privat zu versichern wären.
Zur Disposition steht also der Umfang der gegenwärtigen Leistungen, die von allen für alle bezahlt werden. Und bei Zahnersatz und Krankengeld wird es nicht bleiben. Eine private Versicherung aber kann niemals so günstig und gleichzeitig leistungsfähig für alle sein wie eine Umlage. Private Versicherungsprinzipien lauten: Mehr Leistung für mehr Geld. Nur junge, gesunde Männer fahren preiswert. Und: Unsere Aktionäre müssen auch noch etwas abhaben.
Deshalb brauchen Merkel & Co. vor den Wahlen gar nicht darzulegen, wie genau sie die Kopfpauschale einführen wollen. Es wird außer ein paar Lobbyisten sowieso keiner verstehen. Zur Einordnung reicht es zu wissen, dass ihre Sozialpolitik darin besteht, die öffentlichen Sicherungssysteme zu einem Markt für die Versicherungskonzerne umzubauen. Erweist sich die „Kopfpauschale“ als insgesamt nicht umsetzbar, wird es kleinere und größere Schritte dorthin geben. Wie weit die Union damit kommt, hängt bloß von der Dauer ihrer Regierung ab. ULRIKE WINKELMANN