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Archiv-Artikel

Staatsbesuch aus dem Wendland

GROSSDEMO Tausende Atomkraftgegner wollen heute mit hunderten von Treckern die Innenstadt lahmlegen. Auch Künast und Thierse machen mit. Der Begleitschutz ähnelt dem eines Staatsbesuchs

Berlins Innenstadt steht heute ganz im Zeichen der Republik Freies Wendland. Mit mehr als 350 Traktoren sind tausende AtomkraftgegnerInnen aus dem niedersächsischen Lüchow-Dannenberg in der Stadt, um unter dem Motto „Mal richtig abschalten“ gegen den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken und die geplante Endlagerstätte für hochradioaktiven Atommüll in Gorleben zu demonstrieren.

Und die Wendländer sind nicht allein. Unterstützt werden sie von AtomkraftgegnerInnen aus dem gesamten Bundesgebiet. Aus Hamburg haben sich 14 Busse angekündigt, ein Sonderzug aus Nordrhein-Westfalen bringt 800 DemonstrantInnen nach Berlin, Dutzende von Bussen und Sonderwaggons sind auch aus Süddeutschland unterwegs. Die Demo soll zeigen, „dass die nächste Bundesregierung unabhängig vom Wahlausgang nicht auf die Atomkraft setzen dürfe, sondern abschalten müsse“, sagte Jochen Stay von der Initiative Ausgesessen. Er rechnet mit einer fünfstelligen Teilnehmerzahl.

Die Demonstration soll am Samstag um 13 Uhr vor dem Hauptbahnhof beginnen, über die Friedrichstraße ziehen und mit einem Umweg über die Straße des 17. Juni nach zwei Stunden das Brandenburger Tor erreichen. Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg kündigte für die Protestaktion einen „antiatomaren Paukenschlag aus bunten Massenprotesten, ernsthaften Ansprachen und politischem Karneval“ an. Teilnehmen wollen auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), die Grünen-Spitze um Renate Künast und Jürgen Trittin sowie zahlreiche Gewerkschaftsführer und VertreterInnen von Umweltverbänden. Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms, die bereits beim legendären Gorleben-Treck vor 30 Jahren nach Hannover die Demo angeführt hatte, ist wie damals mit einem eigenen Traktor dabei.

Mit Verkehrsbehinderungen rechnet die Polizei vor allem wegen der 350 Traktoren, die seit Freitag in Gatow bei Spandau campieren. Wie Demo-Organisator Stay in seinem Blog berichtet, ist der Treck von Gatow über die Heerstraße und den Kaiserdamm zum Brandenburger Tor als Demo angekündigt. Die Tour zurück hingegen als „Verbandsfahrt“. Den Begleitschutz würden Spezialeinheiten der Berliner Polizei übernehmen, die normalerweise bei Staatsbesuchen eingesetzt werden. Stay: „So ist das also, wenn sich eine große Delegation der Republik Freies Wendland auf den Weg in die Hauptstadt macht.“ FELIX LEE