: Editorial
So viel Europa war nie. Und so viel Abneigung gegen Europa in Europa war noch nie. Die Eurokrise hat den Europäern gezeigt, dass sie längst nicht nur Bürgerinnen und Bürger Italiens, Dänemarks oder Deutschlands sind, sondern auch Bürgerinnen und Bürger Europas – vielleicht mehr, als sie es sein wollen.
Doch Europa ist nicht nur ein großer Binnenmarkt, eine kriselnde Währung und ein politisches Gebilde von, na ja, verbesserungswürdiger demokratischer Legitimation. Das Europa der Gegenwart ist ein gelebter Raum. Und in den kommenden drei Wochen wird es sich von seiner schönsten Seite zeigen: mit Fußball. Darauf freuen wir uns!
Als Polen und die Ukraine den Zuschlag für die Austragung des Turniers erhielten, fragte man im westlichen Europa, ob sie in der Lage sind, ein solches Großevent auszurichten. Dass sie die logistischen Aufgaben bewältigen können, haben sie bewiesen. Jetzt müssen sie – das gilt insbesondere für die politischen Machthaber in der Ukraine – zeigen, dass sie auch dazu in der Lage sind, die Menschenrechte zu respektieren.
Wir hoffen, dass die Aufmerksamkeit, die die schwierige Lage der Menschenrechte in der Ukraine derzeit bekommt, nach der Europameisterschaft nicht verschwindet. Wir werden auf jeden Fall weiter darüber berichten – wie wir es auch vor der EM schon getan haben.
Und wir werden genau hinsehen. Wir werden hinsehen, wie sich die europäische Außengrenze, die die beiden Gastgeberländer trennt, auf das Turnier auswirkt. Wir werden genau hinsehen, ob diese Europameisterschaft, die während der größten Krise seit Bestehen der Europäischen Union stattfindet, ein wenig Freude an Europa weckt. Dafür bürgt die renommierte Auslandsberichterstattung der taz.
Fußballerisch wird von dieser EM nicht viel Neues erwartet. Vor allem wird es wohl darum gehen, ob die wenigen spielstarken Mannschaften – allen voran die Spanier – abermals sich und uns in einen Rausch spielen werden oder ob man sie mit den Mitteln des modernisierten Brachialfußballs stoppen kann und wird.
Zu den wenigen spielstarken Mannschaften zählt die deutsche. Wir sind gespannt, wie sie sich präsentieren wird – und wie die Fans auf Erfolg und Misserfolg reagieren werden.
Um all das wird es auf täglich mindestens vier Sonderseiten gehen. Ergänzt wird die gedruckte Ausgabe um unseren Onlineauftritt unter taz.de/em.
Wir wollen informieren, erzählen, kommentieren, analysieren, unterhalten, kurz: ein schönes und kluges Blatt machen, das Sie informiert und unterhält – egal ob Sie auch sonst kein Bundesligaspiel verpassen, nur bei großen Events zuschauen oder sich zwar für das gesellschaftlich-politische Drumherum, aber nicht für das Spiel mit dem Ball interessieren.
Wir freuen uns auf die EM. Wir freuen uns auf die Zeitung, die wir zu machen das Vergnügen haben. Und wir hoffen, Sie freuen sich auch.
SVENJA BEDNARCZYK, FRAUKE BÖGER, MICHAEL BRAKE, JURI DURKOT, JAN FEDDERSEN, ENRICO IPPOLITO, JOHANNES KOPP, GABRIELE LESSER, ISABEL LOTT, STEFAN MAHLKE, RICHARD NÖBEL, ANDREAS RÜTTENAUER, BARBARA OERTEL, ERIK PETER, JAN SCHEPER, MARKUS VÖLKER UND DENIZ YÜCEL