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Archiv-Artikel

Hauptsache, dagegen

PROTEST Euro-Gegner demonstrieren vor dem Reichstag. Dass sich die NPD dazugesellt, stört viele nicht

Matthias Hartmann ist extra aus Westfalen angereist. Seine Frau und die sechs Kinder sind auch dabei, das jüngste sitzt im Kinderwagen. Sie halten ein Transparent in die Höhe, darauf steht: „Mit der EM abgelenkt, mit dem ESM abgelinkt!“ Sie demonstrieren am Freitagnachmittag auf der Reichstagswiese gegen den Eurorettungsschirm.

Rund 300 Leute sind es insgesamt. Menschen, die den Massenmedien misstrauen und sich lieber im Internet informieren. Menschen, die den Begriff „Verschwörungstheoretiker“ empört von sich weisen, um im nächsten Moment Verschwörungstheorien zu erläutern. Menschen, die sagen: „Es braucht eine neue rechte Partei.“ Beatrix von Storch spricht, die Vorsitzende des rechtskonservativen Vereins „Zivile Koalition“, sie sagt „Ja zum Grundgesetz“ und warnt vor einem „EU-Putsch von oben“. Eine Rednerin ist als Vertreterin von Attac angekündigt, aber die Organisation distanzierte sich ausdrücklich von der Veranstaltung mit „nationalistischen Inhalten“.

Neben Anhängern verschiedener rechtspopulistischer Gruppen sind auch solche der rechtsextremen NPD gekommen. 13 Neonazis stehen hinter dem Banner mit der Aufschrift „Wir wollen nicht Zahlmeister Europas sein“. Matthias Hartmann hat damit kein Problem. Die seien doch sowieso vom Verfassungsschutz geschickt, und überhaupt, „die Verbrecher, die sitzen doch da“. Er zeigt auf den Reichstag. Dass die NPD hier sei, lasse sich eben nicht verhindern, sagt ein Mittsechziger, der ein Plakat der „Freien Wähler“ hochhält: „Toleranz gehört doch auch dazu.“ Mitveranstalter Daniel Neun, der einst für die WASG kandidierte und sich immer noch dem „linken Spektrum“ zugehörig fühlt, distanziert sich deutlich von den rechtsextremen Mitdemonstranten. Das sagt er am Anfang auch ins Mikrofon, er spricht von den „Nazis, die wir nicht haben wollen“. Es dauert eine Weile, dann klatschen ein, zwei, Leute, dann ein paar mehr. Es klingt wie eine lästige Pflicht. SEBASTIAN ERB