: Gut gewirtschaftet
CSR Von nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen profitieren nicht nur Umwelt und Gesellschaft, sondern auch die MitarbeiterInnen
FRIEDHELM HINSENHOFEN, LR FACILITY SERVICES
VON KRISTINA SIMONS
Der Lebensmittelhändler tegut schickt seine Auszubildenden regelmäßig zum Sozialpraktikum in ein Behindertenwohnheim. Das Reinigungsunternehmen LR Facility Services verwendet nur noch umweltfreundliche Reinigungsmittel und hat nach der Tsunami-Katastrophe im Indischen Ozean Ende 2004 im Süden Sri Lankas ein eigenes Hilfsprojekt ins Leben gerufen und tatkräftig Frischwassertanks, Kindergärten sowie ein Berufsbildungszentrum aufgebaut. Und der Hersteller von Brems-, Weichen- und Signalsystemen Hanning & Kahl bietet seinen Mitarbeitern flexible Arbeitszeitmodelle, kostenlose Sprach- und Weiterbildungskurse, Rechts- und Steuerberatungen oder auch gemeinschaftliches Yoga an. All das versteht man unter Corporate Social Responsibility (CSR) oder, weiter gefasst, Nachhaltigkeit: Unternehmen handeln verantwortlich ihren Mitarbeitern, der Gesellschaft oder der Umwelt gegenüber, und zwar über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus.
„Würde man auf der Deutschlandkarte rote Punkte setzen für das gesellschaftliche Engagement von Unternehmen, sähe es aus, als hätte Deutschland Masern“, sagt Gerd Hoofe, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). „Doch diese Masern sind kein Krankheitssymptom, sondern machen gesund.“ Für viele, vor allem große Unternehmen gehören CSR und Nachhaltigkeit heute nicht nur zum guten Ton, sondern zur Unternehmensstrategie. Nach dem Motto „Tue Gutes und rede darüber“ nutzen sie CSR auch gezielt dafür, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Doch auch viele kleine und mittelständische Unternehmen haben längst den strategischen Nutzen von CSR erkannt. Nicht zuletzt der drohende Fachkräftemangel macht eine mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur unverzichtbar. Zudem machen viele Kunden und Geschäftspartner verantwortliches unternehmerisches Handeln zum Entscheidungskriterium. Während viele Großkonzerne heute einen eigenen CSR-Beauftragten haben und alljährlich Nachhaltigkeitsberichte auf Hochglanzpapier veröffentlichen, engagieren sich viele Mittelständler, ohne das gleich mit Begriffen wie CSR oder Nachhaltigkeit zu verknüpfen. „Wir haben es einfach gemacht, ohne zu wissen, wie es heißt“, sagt etwa Friedhelm Hinsenhofen, Chef der besagten Reinigungsfirma LR Facility Services.
Ohne Frage gibt es aber auch schwarze Schafe unter den nachhaltig bewegten Unternehmen. Manch ein Konzern steckt lieber Millionen in CSR- oder Nachhaltigkeitskampagnen, statt etwa in den Produktionsländern auf faire Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu dringen. „Greenwashing“ werden solche PR-Strategien auch genannt, die Unternehmen in ein grünes Mäntelchen kleiden sollen. Schon 2007 veröffentlichte der gemeinnützige Verein LobbyControl eine immer noch aktuelle Studie mit dem Titel „Greenwash in Zeiten des Klimawandels“. Als typische Instrumente nennt der Autor der Studie, Ulrich Müller, neben Anzeigen- und Werbekampagnen zum Beispiel auch die Übernahme von Ökojargon, (Alibi-)Kooperationen mit Umweltorganisationen und das Hochjubeln kleiner, randständiger Umweltprojekte. Doch wie erkennen Verbraucher „ehrliches“ unternehmerisches Engagement? Öffentlichen Unternehmen, die nachweislich die CSR-Prinzipien und die Richtlinien der Europäischen Union, der Vereinten Nationen und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vorbildlich in ihre Unternehmenskultur integriert haben, vergibt seit 2008 der Europäische Verband der öffentlichen Arbeitgeber und Unternehmen in Europa (CEEP) das CEEP-CSR Label – inzwischen über 65-mal (www.ceepcsrlabel.eu). Rund fünfzig nachhaltig agierende privatwirtschaftliche Unternehmen haben sich in dem Verein „dasselbe in grün“ zusammengeschlossen (www.dasselbe-in-gruen.de): von Restaurants über Möbelherstellern und Reiseveranstaltern bis hin zu Druckereien. Sieben UnternehmerInnen haben den Verein im Juli 2009 gegründet. „Wir wollten eine Plattform im Netz schaffen, auf der sich Konsumenten über nachhaltige Unternehmen in ganz Deutschland informieren können“, sagt Vereinsvorsitzende Sabine Lydia Müller. Um Mitglied zu werden, muss jedes Unternehmen zunächst einen „Nachhaltigkeits-Check“ durchlaufen, in dem zum Beispiel abgefragt wird, welche Siegel und Zertifikate die Nachhaltigkeit der angebotenen Produkte belegen. „Genauso wichtig sind uns aber auch die Rahmenbedingungen, etwa der Einsatz von Ökostrom in den Betrieben, die Kompensation von CO2-Emissionen, atomstromfreie Webserver, Bio-Catering, soziale Arbeitsbedingungen und so weiter“, betont Müller.
Dem Ruf aus der Finanzwelt nach mehr Transparenz und Verantwortung folgend, hat der Rat für Nachhaltige Entwicklung im Oktober 2011 einen Deutschen Nachhaltigkeitskodex verabschiedet (www.nachhaltigkeitsrat.de). „Wir haben damit ein Instrument entwickelt, mit dem die ganze Wertschöpfungskette eines Unternehmens in puncto Nachhaltigkeit abgeklopft wird und es diesbezüglich vergleichbar und messbar macht“, erklärt Medienreferentin Katja Tamchina. Bislang haben sieben Wirtschaftsunternehmen eine freiwillige Entsprechenserklärung abgegeben und damit den Kodex anerkannt. Die entscheidende Hebelwirkung komme aber den Finanzinvestoren und -analysten zu. „Erst wenn die Nachhaltigkeit zum entscheidenden Kriterium machen, wird sich wirklich etwas ändern“, weiß Tamchina.