wortwechsel: „Sieger ist nicht, wer Schlachten gewinnt“
Sicherheit in Europa geht nur mit Russland – ohne Putin. In ihm und seinem System haben sich viele getäuscht. Entscheidend ist, was mit den Menschen in der Ukraine passiert
Sicherheitsarchitektur
„Falsch und gefährlich“, taz vom 6. 3. 22
Natürlich ist es vom Standpunkt der Friedensfreund*innen sehr beunruhigend, dass der russischen Führung so viele Fehlbeurteilungen unterlaufen sind und dass sie keinen Plan B oder gar eine Exit-Strategie zu haben scheint. Die Älteren unter uns denken an die US-Führung, die den Vietnam-Krieg noch einmal ausgeweitet und verschlimmert hat, als Beteiligte bereits wussten und sagten, dass der Krieg nicht zu gewinnen wäre (Stichwort Pentagon-Papers). Dennoch bleibe ich – widerlegbar – dabei, dass Entscheidung für die russische Aggression nicht die Entscheidung eines einzelnen Irren ist, sondern auf einem internen Abwägungsprozess mit mehreren Ansätzen und Optionen basiert. Daraus folgt für mich, dass es im Endeffekt keinen Überfall gegeben hätte, wenn Russland in eine europäische Sicherheitsarchitektur eingebunden gewesen wäre, auch wenn dies für die konkrete Entscheidung, die eher völkisch-nationalistisch grundiert ist, nebensächlich gewesen sein mag. Sicherheit in Europa wird es auch zukünftig nur mit Russland geben können, aber wohl mit einem Russland ohne Putin. Eckart Behm, Bremen
Informelle Absprachen
„Die Nato-war-schuld-Linken“,
taz vom 8. 3. 22
Können wir uns nicht darauf einigen, dass viele Faktoren für den Überfall auf die Ukraine verantwortlich sind? 1. Der 7 Jahre lang in Moskau als Botschafter tätige Diplomat Ernst-Jörg von Stuttnitz schilderte gestern Abend in der Sendung „Maybrit Illner“ zur Ukraine-Lage Wladimir Putin als intelligenten, auf Fragen und Argumente freundlich eingehenden Mann, der sich aber seit 2004 ( 2. Osterweiterung) zunehmend auf distanzierte Positionen zurückzog. 2. Wie auch kürzlich in der taz dargelegt, empfinden sich heute viele Menschen in Russland angefeuert von der russisch -orthodoxen Kirche als Nichteuropäer. Das alte Reich müsse wieder hergestellt werden: Nationalismus wie in vielen Regionen Europas. 3. Es hat historisch sehr wichtige, zwecks Gesichtswahrung informelle Absprachen gegeben, zum Beispiel über den Abzug der Atomwaffen aus Kuba, gegen Abzug der US-Atomwaffen aus der Türkei, oder: Abzug aller Atomträger-Systeme aus dem Gebiet der DDR und allen Satellitenstaaten für die Rettung aus der finanziellen Not der Sowjetunion, die 1990 wirtschaftlich am Boden lag. Informelle Absprachen zwischen Gegnern sind eine Methode, die hoffentlich auch in Zukunft, jetzt mit Blick auf die Ukraine, Anwendung finden werden. Peter Bethke, Eutin
Konfliktgenese
„Die Nato-war-schuld-Linken“,
taz vom 8. 3. 22
Der Beitrag bedient das bellizistische Narrativ einer gescheiterten Friedens- oder Appeasement-Politik. Wann bitte hat es die gegeben? Kennt der Autor überhaupt Konzepte einer friedenslogischen zivilen Sicherheitspolitik – etwa das Konzept „Sicherheit neu denken“ der Badischen Landeskirche? Zu jeder Konfliktbearbeitung gehört eine Konfliktgenese – darüber setzt sich der Autor ebenso leichtfertig wie polemisch hinweg. Sieger ist nicht, wer Schlachten gewinnt – sondern wer Frieden schafft. Jürgen Dornis, Herdwangen
Empathie
„Die Nato-war-schuld-Linken“,
taz vom 8. 3. 22
„(…)auch im Sinne, dass das Militärische nicht überhandnimmt (…)“, schreibt Jan Pfaff in seinem Debattenbeitrag und verfehlt dieses Ziel eklatant. Aufrüstung in einer bereits waffenstarrenden Welt wird keines unserer Probleme lösen. Also wird man sich auch als Nato wohl oder übel in „die Schuhe des Anderen versetzen“ müssen, um zu begreifen, was diesen Anderen antreibt und wo der eigene Anteil am Konflikt liegt. Nur so ist ein Ausgang und eine Verhandlungslösung aus dieser Menschheitskrise zu finden.
Gudrun Jauch, Stuttgart
Volle Zustimmung
„Die Nato-war-schuld-Linken“,
taz vom 8. 3. 22
Der Autor hat 100 Prozent Recht. Ich stehe voll hinter seinen Gedanken. Noch vor einer Woche hat selbst der von mir so gern gelesene Friedrich Küppersbusch Gleiches erzählt. Ich hoffe nur, dass dieser perverse Krieg bald vorbei ist und man wieder vernünftig über die Zukunft der Menschheit nachdenken kann.
Wolfgang Bentrup, Oberursel
Zivilbevölkerung
„Zum Zuschauen verdammt“,
taz vom 9. 3. 22
Sie schreiben richtig, dass nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa zum Zuschauen verdammt ist, wenn in der Ukraine mit jedem Tag mehr Menschen und mehr Hoffnungen sterben. Ich denke, dass das Konzept, sich in einem Angriffskrieg mit modernen Waffen (bis hin zu Atomwaffen) zu wehren, vor allem für die Zivilbevölkerung nicht mehr hinnehmbar ist, weil es so viele menschliche Opfer und Zerstörung mit sich bringt. Warum ergibt sich zum Beispiel Mariupol nicht? Wahrscheinlich weil das einige Militärs bestimmen, die als Helden gelten wollen. Und die Zivilbevölkerung muss das ausbaden, ohne überhaupt gefragt zu werden.
Günter Winkler, Bamberg
Wie Putin stoppen?
„Zum Zuschauen verdammt“,
taz vom 9. 3. 22
Ukrainer, leider können wir Euch vor dem Massenmörder Putin nicht retten, sondern müssen ihm im Gegenteil so und so viel Milliarden Euro pro Tag zukommen lassen, denn wenn er eines Tages vor unserer Tür steht, dann wollen wir wirtschaftlich gut dastehen, damit wir ihm gut Einhalt gebieten können. Nicht mal Habeck hat behauptet, die Sanktionen würde Putins Morden Einhalt gebieten – sondern alle Sanktionen können nur dazu dienen, langfristig die Waffen des Mörders zu entschärfen. Ich würde mir wünschen, dass zumindest mal Ansätze von Ideen diskutiert werden, wie man Putin stoppt, und dass dabei eben berücksichtigt wird, dass alles, was man (auch ich) bisher glaubte, nämlich Verhandeln, ziviler Widerstand et cetera, gegen Mörder dieses Kalibers offenbar sinnlos ist (genau das ist die Zäsur). Frank Liepold, Dürmersheim
Demokratie aufrüsten
„Raus aus der Einbahnstraße“,
taz vom 9. 3. 22
„Es ist auch eine erschreckende Art von Eliteversagen, das wir gerade beobachten. Viele Leute haben ihren Job nicht gemacht.“ (G. Diez) Man sollte nicht vergessen, dass Merkels Denken einem evangelischen Pfarrershaushalt entspringt. Wegen solcher christlichen Parallelgesellschaften (evangelisch/katholisch) müssen wir dringend unsere Demokratie aufrüsten und nicht unsere Bundeswehr. Deren Waffengattungen haben nicht zur Aufklärung beigetragen. Noch ein Vorschlag, um „soziale Unruhen“ zu vermeiden: all unsere (politische) Elite, die an diesem eklatanten Versagen in der politischen Bewertung der repressiven Vorgänge in und durch Putins Russland Verantwortung tragen, verlieren ihre Pensionsansprüche, alternativlos. (Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich Herrn Habeck da richtig verstanden habe, oder Frau Baerbock, die lieber den Ukrainerinnen* ins Knie schießt (Anne Will), bevor wir auf Gas und Öl aus Russland verzichten.
Klaus-Peter Klauner, Brühl
Zukunftsprojekte perdu
„taz-Titelseite“, vom 28. 2. 22
Mit offensichtlich doch hochriskanten aggressiven kriegerischen Exzessen und Bedrohungen sind Jahrzehnte der europäischen Friedensarbeit und der internationalen Entspannungspolitik desavouiert. Das Ergebnis wird die gefährliche „Belebung“ der Rüstungsspirale werden. Dies bedeutet für die anstehenden Zukunftsprojekte zur Vermeidung radikaler Folgen des Klimawandels Einschränkungen oder das Aus.
Martin Rees, Dortmund
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