berliner szenen: Gleich ganz hinten reingebohrt
Möchten Sie vorn oder hinten in der Nase?“ fragt der Typ in der Coronaschnellteststelle. Das hat mich bisher nie jemand gefragt, und mich spontan zu entscheiden fällt mir da schwer. „Hinten ist sicherer“, erklärt er hilfsbereit, „da sind mehr Keime.“ Weiß ich ja, aber trotzdem formuliere ich zögernd: „Also, ich bin gestern erst negativ getestet worden …“ – „Alles klar, dann machen wir vorne“, führt er meinen Gedanken fort.
Zart wischt er mit dem Stäbchen vorn durch meine Nasenlöcher. Es tut gar nicht weh, und schon bin ich wieder draußen und kann über die medizinisch-ethischen Implikationen der Entscheidung nachdenken, die ich eben getroffen habe.
Am nächsten Tag begleite ich ein befreundetes Pärchen zum Testen. Wir wollen essen gehen, und beide sind noch ungeboostert. Der weibliche Teil des Paars lächelt, als sie die Teststelle verlassen, der männliche reibt sich irritiert das Gesicht. „Er hat mich sogar gefragt, ob ich vorne oder hinten getestet werden will!“, sagt sie, „da hab ich natürlich vorne genommen.“ – „Was?“, sagt ihr Freund. „Mich hat er gar nicht gefragt. Der hat das Stäbchen gleich ganz hinten reingebohrt! Richtig eklig!“
Zwei Tage später brauche ich schon wieder einen Test. Diesmal ist es eine Frau, die mit Teststäbchen vor mir steht. „Möchten Sie Nase oder Mund?“, fragt sie. „Oh“, sage ich, aufs Neue überrumpelt, „Mund hatte ich lange nicht mehr …“, und öffne ihn schon halb. „Dann sagen Sie mal ‚aaah‘!“ sagt sie fröhlich und nähert ihr Stäbchen meinem Rachenzäpfchen.
Erinnerungen an Brechreiz und Erstickungsgefühle wallen in mir hoch. Reflexartig weiche ich nach hinten aus. „Na gut, dann eben Nase“, lächelt die Testerin geduldig. Dann wischt sie mir ganz zart nur so eben vorn durch die Nasenlöcher. Es tut gar nicht weh, und ich find’s richtig gut so.
Katharina Granzin
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