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Jörn Kabisch AngezapftBroyhan oder Bräuhahn, Hauptsache Hannover

Foto: taz

Das ist mal eine Verkostungsnotiz: „In Drink­glas geschüt­tet das­sel­be oben über die Hälf­te wie Milch aus­sieht, und dem Trin­ken­den als eine Deli­ca­tes­se in der Nase kribbelt.“ Geschrieben hat das 1793 Johann Wilhelm Wäser, Verfasser eines der ältesten deutschen Braubücher. Und er bezog sich auf ein Bier, das damals seine Blütezeit hatte: den Broyhan – schon wie der schäumte und perlte, war seinerzeit eine Sensation.

Heute können nur noch Beergeeks was mit dem Begriff anfangen – oder Hannoveraner. Denn hier an der Leine wurde das Bier zum ersten Mal gebraut, im Jahre des Herrn 1526 von einem gewissen Cord Broyhan. Der hatte in Hamburg gelernt, damals die Bierhauptstadt Nordeuropas, und danach in Hannover angefangen, nach dem hanseatischen Vorbild ein hellbraunes obergäriges Bier zu brauen – mit Luftmalz, wie man damals nicht über Rauch getrocknetes Malz nannte. Der Broyhan wurde zum Exportschlager, es gründete sich ein ums andere Start-up in Hannover.

Schon zwanzig Jahre später waren es so viele Brauer, dass sie sich zu einer Gilde zusammenschlossen. Gleichzeitig ließen sie eine Steuermarke prägen, einen Taler mit einem Bräuhahn. Die Marketing-Idee war haltbar. Broyhan wurde zu einem Bestseller des 16. Jahrhunderts. Noch heute ziert der Gockel das Logo der städtischen Gilde-Brauerei. Der Gerstensaft dagegen geriet in Vergessenheit. Laut den Annalen Hannovers wurde um 1919 die letzte Flasche mit Broyhan abgefüllt.

Ein Jahrhundert später gibt es das Bier wieder. Erneut ist es ein Start-up, das sich der Idee annimmt, eine Gutshof-Brauerei in Rethmar vor den Toren der Stadt. Die zwei Gründer, die Brüder Christoph und Stephan Digwa, haben sich über ein Jahr mit historischen Quellen beschäftigt und mit Zutaten experimentiert, die vor 500 Jahren üblicher waren als heute, denn ein konkretes Rezept existiert nicht. 2017 präsentierten sie dann ein Bier, gebraut mit Veilchenwurzel, Hopfen, Koriander, Galgant, Zimt und Nelken. Klingt weihnachtlich, aber der Broyhan ist das Eleganteste, in das man die Gewürze verwandeln kann.

Broyhan, Das Freie, Gutshof­brauerei, 6,4 % vol.

Es bitzelt leicht in der Nase, wenn man das Glas mit der kupfernen Flüssigkeit an die Lippen setzt. Der Broyhan hat dann Ähnlichkeit mit einem belgischen Witbier, ein leicht saures Weizen mit einer ­prägnanten Nelkennote. Er ist nur weit floraler, zu Beginn kommen mir französische Veilchenpastillen in den Sinn, aber dann entwickelt sich ein ganzes Bukett, darin Holz, Zitrone, Galgant, Rosmarin, Cidre. So genau will man das aber gar nicht mehr wissen, weil der Gesamteindruck stimmt. Der Broyhan ist harmonisch, fast schon frühlingshaft und hat viel von einem guten Schaumwein. Er eignet sich hervorragend als Aperitif, aber nicht nur. Ich zum Beispiel werde an Silvester seine Kronkorken knallen lassen.

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