berliner szenen: Hilfe, aber nicht von allen
Na gut, es war auch wirklich nur so eine Idee: mich mal als Wahlhelfer auszuprobieren. Dadurch meinen Erfahrungshorizont zu erweitern. Und wenn der freundliche Herr beim Wahlamt gesagt hätte: Klar können Sie Wahlhelfer werden, kommen Sie morgen zur Schulung. Vielleicht hätte ich dann gesagt: „Ach, ich überleg’s mir lieber noch mal.“ Schließlich könnte am 26. September die Sonne scheinen, womöglich ein letzter Sommergruß, und dann den ganzen Tag im schattigen Wahllokal sitzen wär ja auch nicht so toll …
Aber es kam eh alles anders. Zuerst wollte ich nur gucken, wen man zur Bezirksverordnetenversammlung in Neukölln eigentlich so wählen kann. Diese Versammlung darf ich mitwählen als nichtdeutscher EU-Bürger. Deshalb surfte ich im Netz und las dabei zufällig, dass sie Wahlhelfende suchen. Interessant, dachte ich. Aber dann stand unter den Bedingungen, dass man berechtigt sein müsse, den Bundestag zu wählen, um Wahlhelfer zu werden. Bundestag, was hat das jetzt damit zu tun? Ist bestimmt ein Missverständnis, dachte ich. Deshalb der Anruf beim Wahlamt.
Der Mitarbeiter bestätigte aber, dass ich kein Wahlhelfer sein darf. Denn als Nichtdeutscher darf ich ja den Bundestag nicht mitwählen. Und mit der Bezirksverordnetenversammlung wird dieses Jahr gleichzeitig der Bundestag gewählt und dann wird gemeinsam ausgezählt. Oder so. Ich glaube, die Begründung war dem Mann am Telefon ein bisschen peinlich. Wenn ich im Nachhinein darüber nachdenke, ist mir der Grund auch nicht komplett nachvollziehbar. Aber egal. Ich find das jetzt echt nicht schlimm. Im Gegenteil. Immerhin kann ich jetzt ein bisschen angeben und sagen: „Hey, ich wollte Wahlhelfer werden, aber sie lassen mich nicht.“ Und wer weiß, vielleicht scheint am Wahltag ja die Sonne.
Giuseppe Pitronaci
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