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Ausgehen und rumstehen von Jenni ZylkaDas hat die U 8 nicht verdient

Mir geht’s gut, die Welt ist scheiße“ ist gerade DIE praktikable Standardantwort auf „Na, wie geht’s?“. Was soll man auch anderes sagen? Man freut sich ja, überhaupt mal wieder jemanden zu treffen. Aber Donnerstagabend bieten sich gleich mannigfache Möglichkeiten für den Befindlichkeitsaustausch. Denn die Grether-Schwestern stellen im ://about blank ihr popfeministisches Songbook „Ich brauche eine Genie“ vor. Und das in Schwarz-Weiß gehaltene, eindrucksvolle Archiv stolzer weiblicher Punkattitude würde dem hochnäsigen Architektur-Wälzer und dem Angeber-Modefotoband auf dem Coffeetable bestimmt schön die Leviten lesen. Es ist ohnehin begrüßenswert, wenn alliterarische Familienangehörige gemeinsam Sammlungen herausgeben, ob es nun die (Ge-)Brüder Grimm oder die Geschwister Grether sind.

Ein paar der Künstlerinnen singen bei der Book Realease sogar live vor, darunter die verlässlich tadellose Bernadette La Hengst mit Tochter Ella Mae, die ihre Zukunft zurückhaben wollen; Katrin Achinger von den Kastrierten Philosophen und „FaulenzA“, die anscheinend „Fauli“ gerufen wird. Allein darum (und auch wegen ihrer Verdienste um das transpositive Shanty) würde ich gern Faulis Freundin sein: Bei Punkkampfnamen werde ich sehnsüchtig. Im Bekanntenkreis heißen definitiv zu wenige Menschen „Igel“, „Ratte“ und „Krätze“, früher war das anders.

Freitag hüpfe ich in die „Send me an Image“-Ausstellung im C/O Berlin, und bin begeistert von der Postkartenaktion des japanischen Künstlers On Kawara, der 1976 jeden Tag eine Karte an seinen Galeristen geschickt hat, mit einer gestempelten Aussage über die Uhrzeit, zu der er aufgestanden ist: „Today I got up at 9.17“ steht da, oder „Today I got up at 10.07“. Herrlich. Ich möchte auch solche Postkarten verschicken! Gemeinerweise an Menschen, die früher aufstehen müssen als ich! In meiner perfekten Welt geht man nämlich ausschließlich einstellig ins Bett (also 1 oder 2 oder 3 Uhr morgens), und steht zweistellig auf (also ab 10 Uhr). Aber die Welt, siehe oben, ist bekanntlich zurzeit noch weiter weg von perfekt als sonst.

Trotzdem. Samstag ist der vorletzte Tag des „12. Berliner Hörspielfestivals der Freien Szene“ in der Akademie der Künste, und ich komme gerade richtig zum Wettbewerb „Das kurze brennende Mikro“, den „Corona Ciao“ von Viola Gabor gewinnt, ein zauberhaftes, knapp 20-minütiges, gequatschtes, gekichertes, gesungenes, gegurgeltes und geklopftes Ding, ausgeführt von 26 Kindern einer inklusiven Kölner Grundschule als Gegenmaßnahme zur Coronalangeweile.

Und ja, man kommt sich ein bisschen vor wie Sarah Connor in „Terminator“, die angesichts der drohenden Katastrophe (Skynet bringt alle um usw.) sinnierend auf leere Spielplätze schaut und Kinderstimmen erinnert, aber vermutlich ist das das Alter: Die SIND aber auch so schön, diese Stimmchen. Ach Gottchen.

Ein kurzes Hörspiel über die U8 dagegen versuppt kurz nach dem Losfahren stante pede in Berlin-Klischees: Etwas lustlos collagierte O-Töne, in denen die U8 und ihre Passagiere ausschließlich in verschiedenen Sprachen mehr oder weniger als „crazy“ bezeichnet werden, keinerlei Ideen dazu, dass die Linie mal durch tote U Bahnhöfe fuhr, oder Gedanken darüber, ob und wie sich die Klientel von Neukölln über Kreuzberg, über Mitte, über Wedding, über Reinickendorf bis Wittenau ändert.

Das hat die U8 nicht verdient. Welche andere Linie kann schließlich einen Bahnhof vorweisen, der nach einem Schwimmbad benannt ist, das wie ein Alchemist heißt?! Immerhin steigt nach dem auditiven Vergnügen noch eine zaghafte Party mit DJ und Dis-Tanz, eher Hinterhof-Schwoof als Kitcatclub, eher Riesling als Wodka Tonic, aber was soll’s. Wir nehmen alles.

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