: Adieu, Dauerwelle
UMSCHULUNG Das Berufsförderungswerk Hamburg will Frauen von Klischeeberufen wegholen. Zum Beispiel Martina Karpenko: Die 28-Jährige hat Friseurin gelernt, jetzt lässt sie sich zur Industriemechanikerin umschulen
Axel Hebestreit, Bildungsstätte Industrie und Handwerk Hamburg
VON YASMINA SAYHI
„Ah, da ist sie ja schon!“ Axel Hebestreit springt aus dem Stuhl. „Darf ich vorstellen? Frau Martina Karpenko!“ Eine junge Frau mit hell gefärbten Kurzhaarschnitt tritt lächelnd durch die Tür. „Frau Karpenko ist extra aus dem Urlaub gekommen heute“, sagt Axel Hebestreit. Martina Karpenko ist 28 Jahre alt. Bis vor ein paar Jahren hat sie noch Dauerwellen zurechtgezwirbelt. Jetzt macht sie eine Umschulung und steht im Blaumann an schweren Maschinen.
In den Büroräumen des Berufsförderungswerks (BFW) herrscht reges Treiben. Das Telefon klingelt ständig. „Alle wollen sie etwas. Aber das ist so der typische Ablauf hier“, sagt Axel Hebestreit, Vertriebsleiter der Bildungsstätte Industrie und Handwerk Hamburg. Seit knapp einem Jahr bietet das BFW Hamburg Umschulungen für den Bereich Mechanik, Elektronik und Mechatronik an. Dabei werden besonders Frauen angesprochen, um das Vorurteil „Frauen gehören nicht an die Werkbank“ zu widerlegen. „Eine Zeit lang war es so, dass man den Frauen wenig zugetraut hat in diesem Bereich“, sagt Hebestreit. Aber es habe sich etwas im Denken der Firmen verändert. Zum einen, weil es an Fachkräften mangele, zum anderen, weil sie gemerkt hätten, dass Frauen ausdauernd sind und geschickt.
Jeden Mittwoch um zehn Uhr lädt das BFW zum Tag der offenen Werkstatt ein. „Ich muss dann vor allem schauen: Haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich das wirklich richtig überlegt? Ist es das richtige Gewerbe für sie?“, sagt Hebestreit. Arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit bedroht müssen alle Bewerber sein. Erst dann kommt eine Umschulung in Frage.
Letztlich liegt es aber im Ermessen der Arbeitsvermittler, ob die Bewerber einen Bildungsgutschein zur Umschulung erhalten. Einmal sei er mit einer Pflegeassistentin ins Gespräch gekommen, erinnert sich der Vertriebsleiter. Sie wäre absolut geeignet gewesen, bekam aber keinen Bildungsgutschein ausgestellt. Der Vermittler meinte, dass die Aussichten für eine Mechanikerin schlecht seien. Sie solle lieber weiter in die Pflege gehen. „Dabei geht es uns ja darum, die Leute aus dem Billigsektor rauszuholen, damit sie mehr verdienen“, sagt Hebestreit.
Es sei sehr schwer, Frauen an die Werkbank zu holen, sagt der Vertriebsleiter. „Vielleicht ist es dieser Ruf der schmutzigen Arbeit.“ Dabei würden vor allem die geregelten Arbeitszeiten eine Erleichterung für Mütter bieten. Dann sitze man eben nicht bis 23 Uhr bei Penny an der Kasse für den Mindestlohn.
Martina Karpenko bekam einen der begehrten Umschulungsplätze. Mit damals 16 Jahren schloss sie die Realschule ab und ging direkt in die Ausbildung. „Friseurin war damals so ein Ausweichding. Ich wusste nach der Schule nicht genau, was ich machen wollte. In Richtung Handwerk habe ich aber immer tendiert“, sagt sie.
Die Ausbildung zur Friseurin fand Karpenko „schon toll, vor allem, weil ich sehr experimentierfreudig bin“. Das Gehalt sei aber immer ein Manko gewesen und der direkte Kundenkontakt, „dieses ständige Anfassen und immer nett sein müssen, das war dann irgendwann nicht mehr meins“, sagt sie.
Bereits während der Ausbildung merkte sie, dass sie diesen Beruf nicht ewig machen wollte. „Es hieß dann immer: Mach das wenigstens zu Ende, dann hast du etwas in der Tasche.“ Nach ihrem Abschluss zog Martina Karpenko von Schwerin nach Hamburg, arbeitete aber nicht mehr als Friseurin, sondern verdiente ihr Geld mit Zeitarbeit, unter anderem als Lagerarbeiterin. Durch das Jobcenter wurde sie auf die Umschulung des BFW aufmerksam und nahm an einem der Vorbereitungskurse teil.
Jetzt ist Martina Karpenko im zweiten Umschulungsjahr zur Industriemechanikerin. „Im Februar habe ich meine Abschlussprüfung“, erzählt sie stolz. Ein höheres Arbeitsrisiko für Frauen sehe sie in ihrer Arbeit nicht. „Ich fühle mich absolut nicht überfordert. Die Arbeit macht mir Spaß und mit Männern zu arbeiten ist viel unkomplizierter“, sagt sie. „Beim Friseur wurde es manchmal echt nervig. Nur Frauen, nur Getratsche. Das hat man bei Männern weniger.“
Als Frau werde sie natürlich hin und wieder angebaggert, sagt Karpenko augenrollend. „Aber nur ,solange man mich nicht persönlich kennt. Irgendwann ist es ihnen dann peinlich.“