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Archiv-Artikel

Bisschen bescheuert soll’s schon sein

MIT VIELEN FREUNDEN Sie könnten auch Hitparadenpop, aber dass ihnen der kommerzielle Erfolg so was von am Arsch vorbeigeht, zeigen The Flaming Lips auf ihrem neuen Album mit besonderem Stolz

VON THOMAS WINKLER

Amerika, du hast es besser. Hierzulande werden Franz Zander, die Puhdys oder DJ Ötzi verpflichtet, wenn sich Sportvereine besingen lassen. In Oklahoma City dagegen wurde, als die örtliche Basketballmannschaft, die den Namen Thunder trägt, in diesem Frühjahr bis in die Endspiele der NBA durchmarschierte, zur Feier der Erfolge ein Song der Flaming Lips in der 18.000 Zuschauer fassenden Arena der Stadt aufgelegt. Flaming-Lips-Mastermind und Thunder-Fan Wayne Coyne, bekannt für extravagante Bühnenshows und musikalische Durchgeknalltheit, hatte extra das Stück „Race for the Price“ umgeschrieben und um einen „Thunder up!“-Chor ergänzt.

Niemals zuvor waren The Flaming Lips wohl so widerspruchslos im Massengeschmack aufgegangen. Doch – sollte ihr neues Album auch nur irgendein Indikator sein – werden sie dem Mainstream auch niemals wieder so nahe kommen. Denn „The Flaming Lips and Heady Fwends“ ist alles Mögliche: Karrierebilanz und Kontaktpflege, Vergewisserung der eigenen Bedeutung und größenwahnsinnige Selbsteinordnung in die Popgeschichte. Aber eines ist dieses Album ganz bestimmt nicht: massentauglich.

Was nicht bedeutet, dass nicht Massen von Menschen für seine Herstellung nötig gewesen wären. Hat sich das Quintett doch für jeden Song einen Kollaborateur eingeladen. Allein die Auswahl der Gäste zeigt wieder einmal das Grundprinzip der Flaming Lips: Alles ist möglich, aber es sollte dann doch wenigstens ein bisschen bescheuert sein. Schließlich dürfte es bislang kein Album geben, auf dem Souldiva Erykah Badu neben dem patentierten Madmen Nick Cave zu hören ist. Ehemalige Geheimtipps wie der esoterische Folkkastrat Bon Iver sind ebenso vertreten wie der ewige Geheimtipp Guillermo Scott Heron, der als Prefuse 73 noch kein musikalisches Genre gefunden hat, das er nicht verhackwursten hätte wollen.

Tatsächlich klingt „The Flaming Lips and Heady Fwends“ vor allem nach Flaming Lips, nicht so sehr nach den Freunden. Jeder Song wirkt mit Glöckchen hier, Geflöte da, den immer wieder fröhlich eingesetzten Halleffekten, den fies verzerrten Gitarren und der süßlichen Keyboardwatte, den radikalen Laut-leise-Kontrasten und dem ständigen Stilwechsel wie ein endloser Strom sich widersprechender Ideen, die gern auch mal ins Nichts führen. Man könnte auch sagen: Diese Album ist ein ziemlich unterhaltsames Plädoyer, es mit dem Missbrauch bewusstseinserweiternder Drogen nicht zu übertreiben.

Das liegt natürlich daran, dass trotz der Armee an Freunden vor allem einer den Hut auf dem Lockenkopf sitzen hatte. Man bekommt immer wieder das Gefühl, den meisten Gästen war nicht klar, worauf sie sich eingelassen haben. Und Wayne Coyne war ziemlich egal, ob man ihren Beitrag zu den meist über E-Mail abgewickelten Kollaborationen am Ende noch groß erkennt. Damit müssen nun sowohl Ke$ha wie auch Yoko Ono klarkommen. Der Teeniestar wird für „2012 (You Must Be Upgraded)“, einer Bearbeitung des Stooges-Klassikers „1969“, so effektvoll über einem messerscharfen Electropunkriff platziert, als wollten die Flaming Lips noch mal ausdrücklich beweisen, dass sie natürlich auch Hitparadenpop könnten, wenn sie nur wollten. Bevor der Song allerdings dieses Potenzial voll entwickelt, wird er in eine enervierend kreisende Drögheit verwandelt, als wollten die Flaming Lips darüber hinaus zeigen, dass ihnen kommerzieller Erfolg so was von am Arsch vorbei geht. Yoko Ono immerhin darf tun, was sie immer tut, wenn sie Musik macht: irgendwie so rumbrüllen. Diesmal nur die beiden Wörter do und it, die aber dafür ziemlich oft.

In bald drei Jahrzehnten haben Wayne Coyne und Mitstreiter sechsstündige Songs veröffentlicht und ein Album, das in einem Weingummifötus versteckt war, Konzerte zu Zirkusveranstaltungen umfunktioniert und problemlos einen Spitzenplatz im internationalen Musikspinnertum behauptet. Den haben sie nun mit „The Flaming Lips and Heady Fwends“ noch einmal gefestigt. Im Gegensatz dazu haben die Basketballer von Oklahoma City Thunder zum ersten Mal ein Finale erreicht und blieben dort prompt chancenlos gegen Miami – trotz der Unterstützung der Flaming Lips.

■ The Flaming Lips: „The Flaming Lips and Heady Fwends“ (Bella Union/Coopperative Music)