wortwechsel: Wer radikalisiert, verliert! Stimmt das? Wirklich?
Peter Unfried hat in der taz „die eine Frage“ gestellt: „Kommt Klimapolitik voran, wenn Fridays for Future auf die Grünen losgehen?“ Leser:innen lieben diese Frage, aber nicht die Antwort
„die eine frage: Wer radikalisiert, verliert“, taz vom 24./25. 10. 20
Der Partei unterordnen?
Vehement möchte ich Unfried antworten: FFF haben bisher gewonnen und eben nicht verloren, weil sie vielschichtig, jung und so verbal radikal waren und hoffentlich auch bleiben. Ich hoffe, sie werden der Stachel in der Politik und unserer gesättigten Mittelschicht bleiben und die Grünen werden nicht mit der CDU koalieren. Ich gebe Unfried nur darin recht, dass die Gründung einer neuen Klimapartei mit Konzentration auf ein Ziel bei der Komplexität dieses vielschichtigen Themas, das keineswegs nur ein Energiethema ist, keine gute Lösung ist. Historisch konnten sowohl die Grünen als auch FfF in der Eigenständigkeit und in der Opposition ihre Ziele viel klarer formulieren, als wenn sie sich einer Partei unterordnen oder gar sich integrieren würden. Um Mehrheiten zu überzeugen, müssten sich auch die Grünen aus ihrer Mittelschichtblase hinausbewegen und sozial benachteiligte Menschen ernst- und mitnehmen – und dann könnten sie ruhig radikaler werden, das würde ihnen einige Abtrünnige weniger bescheren.
Hilla Metzner, Berlin
Täglich grüßt die Zeitung
In Abwandlung von Bertolt Brechts „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren“, möchte ich Peter Unfried antworten: „Wer nicht radikalisiert, hat schon verloren.“ Unfrieds in der Regel distanzlos an Kretschmann-Politik angepasste Kommentare passen gut in die Rubrik „Dafür wurde die taz nicht gegründet“. Als Mitgründer*innen der taz haben wir mit dem Slogan „Täglich eine linke radikale Zeitung“ für unser Projekt geworben. Im Lauf der Jahre ist nach meinem Eindruck daraus „Täglich eine linke Zeitung“ geworden. Mit Beiträgen wie dem von Unfried landet die taz schnell bei „Täglich eine Zeitung“ – und macht sich damit selbst überflüssig.
Charly Amannsberger, Berlin
Mainstream ist schon da!
Die Herausforderung besteht darin, das Kapital und die Macht der großen Vermögen zu überzeugen – und da sehe ich schwarz, im besten Fall schwarz/grün. In den meisten Ländern wünscht sich mehr als die Hälfte der Menschen schon heute mehr Klimaschutz von ihrer Regierung. In Deutschland trifft das laut Studie zum Beispiel auf 63 Prozent zu. Hier läuft der Autor offene Türen ein. Kid Loco auf taz.de
@kid loco: Für mehr Klimaschutz sein, ist das eine – das heißt aber nicht mal ansatzweise, dass es eine Mehrheit für Systemwechsel, weg von Kapitalismus/massiven Veränderungen und Einschränkungen bei der Lebensweise gibt. Gyakusou auf taz.de
@Gyakusou: Worin besteht der von Unfried zitierte Habeck’sche Widerspruch? Einerseits verdeutlicht die Klimakatastrophe die längst überschrittenen Grenzen des Wachstums. Andererseits wirbt die Ökopartei (?) trotzdem und immer noch mit der abwegigen Vorstellung vom „grünen Wachstum“. Wondraschek auf taz.de
Grüne Duckmäuser?
Das Duckmäusertum der Grünen ist bedenklich. Man kann kaum erwarten, dass die Partei in einer zukünftigen Koalition mit der CDU im Bund mit Wumms ökologische Politik durchsetzt. In Hessen geben sich die Grünen schwärzer als die CDU. Siehe Flughafenausbau, Schweigen zu rechten Netzwerken in der Polizei und nun die Zustimmung zum Bau der A 49. Eine grüne Partei ist entbehrlich, wenn sie im Konflikt Kapital versus Klima nicht konsequent auf Klima setzt.
Es gab schon einmal eine Partei, die ihren Markenkern aufgab. Die SPD. Dies hat bekanntlich unter anderem zur Gründung der Partei Die Linke geführt. Letztere täte gut daran, sich ökologischer Themen vermehrt anzunehmen.
Eva Walther, Frankfurt a.M.
Aufseiten der Jugend?
Lieber Peter Unfried, ich fürchte, Sie übersehen in ihren „großstrategischen Überlegungen“ den Kern des „grünen Dilemmas“: Die Grünen haben in den letzten Jahren nicht deshalb Zulauf erhalten, weil sie sich den anderen Parteien angepasst hätten, sondern weil sie einen Rest an Glaubwürdigkeit verkörpern und ihnen ihr Markenkern, der „Wille zur ökologischen Transformation der Gesellschaft (auch gegen Widerstände)“ geglaubt wird. Gerade dass sie jetzt tatsächlich aufseiten der Jugend und der Zukunft stehen, bringt ihnen Glaubwürdigkeit in der ganzen Gesellschaft. Darum braucht es jetzt ein klares Zeichen an FfF – auch wenn es (einigen Hessengrünen) wehtut. Nur dann kann der Wähler* den Grünen (zu-)trauen, zusammen mit einer „Altpartei“ zu regieren. Rainer Griestop, Melle
Die Dörfer kämpfen!
Sehr geehrter Herr Unfried, Sie haben keinerlei Einblick in die Strukturen des Widerstands gegen die A 49 – sonst würden Sie nicht mit dieser Pauschalität einteilen in „Jungaktivisten“ und „Altutopisten“. Der Widerstand, der ja seit Jahrzehnten getragen wird von lokalen Initiativen und Naturschutzverbänden, kann nicht so einfach in zwei negativ konnotierte Schubladen gesteckt und damit abgetan werden! Die Aktivitäten um Dannenrod werden zu einem großen und zunehmenden Teil getragen von der Bevölkerung der umliegenden Dörfer und Kleinstädte und könnten sich anders gar nicht über so lange Zeit halten! Ursel Bernbeck
Grüne Erderwärmung
die grünen haben diesen radikalen weg zur „mainstreamtauglichkeit“ über 40 jahre geschafft – mit dem ergebnis, dass sie nicht wiedererkannt werden. zudem gibt es keine zeit mehr, abzuwarten bis die mainstream-journaille verstanden hat, dass uns die klimakatastrophe hinwegfegt. der point of no return ist längst erreicht – und ohne radikalität ist niemand bereit zu lernen, hat uns franz josef strauß in sonthofen gelehrt. der mensch lernt nicht durch kopf, sondern nur durch katastrophen. selbst die transformation in eine ökologische zukunft verbraucht so viel energie, dass unsere mutter erde weiter brennt. Albert Klütsch, Wesseling
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