Beate Schederschaut sich in Berlins Galerien um:
Auch die Kunst scheint der Sommer müde zu machen. Zumindest haben sich in Heike Kabischs Einzelausstellung „frothing, you and I“ bei ChertLüdde die Skulpturen wie zu einem Nickerchen auf Schaummatratzen und in Raumnischen hingelegt. Es handelt sich um aus Keramik geformte, teils mit Handtüchern umwickelte menschliche Beine in unterschiedlichen Posen. Im Titel der Skulpturenreihe „I told you to be more passionate …“ spiegelt sich das innerliche Auf und Ab der Künstlerin zwischen Hochgefühl und Selbstzweifel wider, das für Kabisch eng mit dem Atelier verbunden ist, dem Ort, an dem sich Ideen in Kunst manifestieren oder auch nicht, in Werken, die sich außerhalb dieser vier Wände erst bewähren müssen – vielleicht indem sie als Fragmente anders zusammengefügt oder in andere Kontexte gesetzt werden. In der größten Arbeit der Schau, „Hour of Devour“, bringt Kabisch das auf den Punkt: Eine dreidimensionale Hand verdeckt mit schmutzigen Handtüchern den nackten Körper einer auf Papier gedruckten Kolbe-Frauenfigur. Sie überlässt deren idealisierte Formen der Imagination (bis 24. 8., Di.–Sa. 12–18 Uhr, Ritterstr. 2a).
Die erste Skulptur Alf Lechners begegnet einem schon außerhalb der Galerie Nagel Draxler. Vorausgesetzt man geht von Norden aus über die Rosa-Luxemburg-Straße. Da liegt sie herum, einfach so, auf dem Rasenstück Ecke Almstadtstraße. „Kreuzlagerung“ aus dem Jahr 2000, gefertigt aus massivem gebranntem Stahl, wirft Schatten, stellt sich einem halb in den Weg. Lechners Stahlarbeiten folgen allesamt streng geometrischen Formen, es sind Kuben und Quader, rasterhafte Würfelteile, Flächen und Ecken, die einen allein durch ihre Beschaffenheit, ihre rohe Oberfläche, ihre schmucklose Monumentalität und Schwere fast umhauen. Lechner verstarb 2017, die aktuelle Ausstellung, in der neben Stahlskulpturen auch Papierarbeiten und eine herrliche kleine Sammlung an Ausstellungsplakaten zu sehen ist, ist die erste bei Nagel Draxler, hoffentlich nicht die letzte (bis 31. 8., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Weydingerstr. 2/4 + Rosa-Luxemburg-Str. 33).
Kaum ist das Project Space Festival vorbei, drängt mit „Interiors to Being“ die nächste Veranstaltungsreihe in den öffentlichen Raum. Den Juli über führen situationistisch angelegte Happenings, Spaziergänge, Performances und Ausstellungen in sechs Kapiteln quer durch Berlin. Beteiligt sind 51 Künstler*innen und sechs Kurator*innen. Am heutigen Donnerstag etwa flaniert Andrew J. Burford durch das queere Kreuzberg. Treffpunkt ist um 16 Uhr am SO36 (Programm unter interiorstobeing.org).
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