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Archiv-Artikel

„A 20 rechnet sich nicht“

Bedeutet ein CDU-Sieg bei der Bundestagswahl mehr Geld für Straßen und Autobahnen? Bringen die Betontrassen mehr Arbeitsplätze? Der Verkehrsexperte Matthias Gather im Wahlcheck-Interview

„Man könnte auch vorschlagen, für dasselbe Geld ein Loch zu graben“

Interview: Kai Schöneberg

taz: Mehr Geld für Straßen statt Schienen und neuen Schwung für Autobahnprojekte hoffen – oder fürchten – viele im Fall eines CDU-Sieges bei der Bundestagswahl. Was ist da dran?

Matthias Gather: Der Wille, neue Trassen zu bauen, wird ein anderer sein als unter Rot-Grün. Aber die Möglichkeiten werden keineswegs besser. Es ist einfach kein Geld für neue Straßenprojekte mehr vorhanden. Selbst bei privaten Betreibermodellen zeigt sich: Es rechnet sich nicht, weil die Verkehrsnachfrage zu schwach ist, siehe die Warnow-Querung in Rostock. Auf den großen Korridoren, die vielleicht wirtschaftlich betrieben werden könnten, sind die Autobahnen zudem längst gebaut.

Die 324 Kilometer lange Ostseeautobahn wird zum Jahresende fertig gestellt, schon streiten die Politiker über die Fortführung des 1,6-Milliarden-Euro-Projekts Richtung Hamburg. Hat sich die Investition gerechnet?

Betriebswirtschaftlich sicher nicht: Auf der A 20 fahren heute etwa 10.000 Fahrzeuge pro Tag –das rentiert sich kaum, für eine Refinanzierung wären aber etwa 50.000 nötig. Bei Projekten wie diesem handelt es sich stets um politische Entscheidungen, eine regionalwirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse würde negativ ausfallen. Die Forschung ist sich einig darin, dass Autobahnen keine positiven Impulse für die Wirtschaft auslösen.

Sie haben das Autobahnnetz in Thüringen auf seine Auswirkungen für Arbeitsplätze hin untersucht. Mit welchen Ergebnissen?

Tatsächlich ist der Produktivitätsfortschritt entlang der Autobahntrassen höher als in entlegeneren Gebieten. Erstaunlicherweise ist genau dort aber auch die Arbeitslosigkeit höher. Der Grund: Die steigende Wettbewerbsfähigkeit geht zu Lasten der Beschäftigung. Anders gesagt: In entlegenen Räumen können Unternehmer eher unwirtschaftlich produzieren und überleben.

Als Beispiel, wie neue Autobahnen Arbeitsplätze schaffen können, wird gerne das neue BMW-Werk genannt, dass nicht in Mecklenburg-Vorpommern, sondern in Leipzig gebaut wurde.

Bei solchen Einzelerfolgen handelt es sich meistens um Strohfeuer. Bei der Ansiedlung von Unternehmen ist für den Investor der Faktor Erreichbarkeit aber nur einer unter vielen. Viel entscheidender sind Lohn- und Ausbildungsniveau der Mitarbeiter. Zudem sind solche Großansiedlungen selten. Viel wichtiger ist daher die Entwicklung regionaler Unternehmen.

Dennoch fordern Politiker wie Autolobby vor Ort stets vehement neue Trassen. Unternehmer sponserten den Lückenschluss der A 31 im Emsland, Verbände brachten die Planungskosten für die Küstenautobahn A 22 auf. Warum?

Es handelt sich um riesige Investitionen vor Ort. Für die Bauwirtschaft sind diese Gelder sicher eine tolle Sache. Wer bösartig ist, könnte jedoch auch vorschlagen, für dasselbe Geld ein Loch zu graben und es wieder zu füllen. In Wirklichkeit wird mit den Millionen nur die Hilfslosigkeit der Wirtschaftspolitiker kaschiert. Man weiß einfach nicht, was man den Regionen sonst anbieten soll. Aus meiner Sicht handelt es dabei meist um reinen Aktionismus.

Salzwedel ist die Stadt in Deutschland, die am entferntesten von einem Autobahnanschluss entfernt liegt. Was würden Sie dem Bürgermeister und den Verbänden vor Ort sagen, die den Bau der nahen A 39 zwischen Wolfsburg und Lüneburg wollen?

Das hängt vom Profil der Region ab. Wenn sie stark exportorientiert ist und Massengüter produziert, könnte ihr der Bau einer besseren Verbindung nutzen. Wenn die Wirtschaft ohnehin Probleme hat, verstärken die sich dagegen durch die bessere Anbindung. Für Regionen mit starkem Tourismus ist eine Autobahn sogar oft tödlich. Hamburg profitiert sicher durch den Bau der A 39. Damit wird das Umland erschlossen, aber die Peripherie hat eher Nachteile.

Durch die A 39 soll aber auch der Wolfsburger Autobauer VW besser an Hamburg angebunden werden. Dann würde die 80 Kilometer lange und 440 Millionen Euro teure Trasse Sinn machen. Oder?

Das würde mich wundern. Hamburg ist eigentlich eher ein Eisenbahnhafen. Da sollte man, wenn überhaupt, über eine neue Schienenstrecke nachdenken.