1.000 Polizisten, 22 rote Hosen, 8 Tore

Der 1. FC Union trifft auf den BFC Dynamo. Einst spielten beide um die DDR-Meisterschaft. Doch auch der Kick in der vierten Liga erregt die Fans so sehr, dass vor allem die Polizei das Bild rund ums Stadion prägt. Drinnen kann Union dann glatt gewinnen

VON ANDREAS RÜTTENAUER

Es begann, wie viele es erwartet hatten. Schon mehr als zwölf Stunden vor dem Anpfiff des Ostberliner Hassderbys zwischen dem 1. FC Union Berlin und dem BFC Dynamo gab es Stunk. BFC-Anhänger haben sich in einer Diskothek schon einmal mit harten und weichen Drinks vorbereitet auf das Spiel der Spiele in der Oberliga. Dabei scheinen sie über die Stränge geschlagen zu haben. Die Polizei wurde gerufen und transportierte die Fans ab. Den Einsatz, bei dem laut Darstellung des BFC heftig mit Knüppeln gearbeitet worden sein soll, fand BFC-Präsident Mario Weinkauf derart überzogen, dass er beleidigt androhte, seine Mannschaft gar nicht erst antreten zu lassen in der Alten Försterei.

Eine Anfrage beim Berliner Fußballverband hat ergeben, dass Union die zu vergebenden drei Punkte kampflos hätte einfahren können, wenn Dynamo tatsächlich nicht angetreten wäre. Angeblich war es auch die Mannschaft des BFC selbst, die sich in einer Abstimmung knapp für das Auflaufen entschieden hat. Das Spiel konnte stattfinden. Warum die Polizei in der Diskothek Jeton in der Frankfurter Allee so hart eingeschritten ist, darüber wurde nicht gesprochen. Weinkauf und die Seinen reagierten wie gewohnt auf Vorwürfe gegen BFC-Fans: sie nehmen sie in Schutz, bezeichnen sich als ganz normalen Club mit ganz normalen Fans. Und wenn es Ärger gibt, sind immer die anderen schuld – in diesem Fall die Polizei.

Die indes findet viele Menschen in Umfeld des BFC Dynamo gar nicht nett. Sie zählt 200 von ihnen zur Kategorie C, zum harten Kern der Hooliganszene. Der wird für gewöhnlich immer dann besonders aggressiv, wenn eines dieser so genannten Traditionsduelle ansteht. BFC gegen Union gehört zu dieser Art von Begegnungen, bei denen der Hass der Fangruppen auf unerklärliche Weise über Generationen vererbt wird. Es gibt schließlich keinen logischen Grund für einen 16-jährigen Union-Anhänger, den ehemaligen Stasi-Club wegen seiner Nähe zum Polizeiapparat der DDR zu hassen. Und weil auch 50 Union-Anhänger zu den besonders brutalen Fans gerechnet werden, schickte die Polizei ein mehr als 1.000 Mann starkes Polizeiaufgebot nach Köpenick. Das Stadion glich einer Festung – durch die Straße an der Wuhlheide durfte niemand ohne Sondererlaubnis fahren. Martinshörner übertönten die Fangesänge.

Es war also alles bestens gerichtet für ein Fußballfest. Das wollte Union-Präsident Dirk Zingler unbedingt feiern an diesem Sonntag, an dem mit 14.020 ein neuer Zuschauerrekord in der Oberliga Nordost-Nord aufgestellt worden ist. Er wollte vor dem Spiel nicht über die Sicherheitsrisiken sprechen, er redete nur über Fußball. Den gab es – wenn auch mit gehöriger Verspätung. Zuerst wurde beschlossen, das Spiel 10 Minuten später zu beginnen, weil noch zu wenige Fans durch die Sicherheitsschleusen gekommen waren. Doch weil anschließend der Schiedsrichter der Meinung war, dass die weinroten Dynamo-Hosen den roten der Unioner allzu ähnlich seien, konnte es erst 28 Minuten nach dem angesetzten Termin losgehen.

Jetzt wurde tatsächlich Fußball gespielt. Oberligafußball. Der ist nicht immer gut anzusehen. Fehlpässe aus unbedrängter Position, peinliche Fehlschüsse, misslungen Torhüterparaden, unverständliche Schiedsrichterpfiffe – aber jede Menge Engagement auf beiden Seiten. Und ein Klassenunterschied. Denn erstmals in dieser Saison gelang es dem Krösus der Liga, dem 1. FC Union, den Gegner zu dominieren. Und wie!

Am Ende demütigte Union den BFC mit 8:0. Der hat nun bereits die dritte Niederlange im dritten Saisonspiel kassiert, während Union mit sieben Punkten, was die Aufstiegspläne betrifft, im Plan liegt. Vielleicht also spielen die beiden Ostberliner Clubs ja schon bald wieder in weit auseinander liegenden Ligen. Die Polizei würde das sicher freuen.