berliner szenen: Der Berlkönig
Wer taumelt spät vorm Lokal im Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
Sie stützen einander Arm in Arm,
Sie sind so trunken, das hält sie warm.
Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? –
Riefst, Vater, du den Berlkönig nicht?
Der Berlinkönig fährt wie ein Schwein. –
Mein Sohn, steig nur frohgemut ein.
„Du liebes Kind, komm, fahr mit mir!
Ich fahre dich auch bis vor die Tür;
Bleib fein hier stehen am Straßenrand,
Dann bespritzt keiner dein gülden Gewand.“
Mein Vater, mein Vater, und weißt du denn nicht,
Wie Berlinkönig Verkehrsregeln bricht? –
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;
Er bringt uns heim so schnell wie der Wind.
„Willst, Knabe, mir auf die Eier gehen?
Mein Mercedes ist doch gewartet schön.
Meine Räder führen den nächtlichen Reihn
Und tanzen mit dir in die Hölle hinein.“
Mein Vater, mein Vater, wie hast du noch Ruh?
Berlkönig rast direkt auf uns zu! –
Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau:
Seiner Fahrkunst ich voll und ganz vertrau.
„Ich liebe dich, und vor allem will ich dein Geld;
Und schließlich hat dein Vater mich herbestellt.“ –
Mein Vater, mein Vater, jetzt fährt er mich an!
Berlkönig hat mir ein Leids getan!
Dem Vater grauset’s; er steiget schnell ein,
Das Kind lässt ächzendes Kind er sein,
Er schnallt sich an mit Mühe und Not;
Das Kind im Rinnstein ist eh schon tot.
Uli Hannemann
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