piwik no script img

Archiv-Artikel

Gelangweilte Kellner

LIBANON Vor allem die gut betuchten Touristen aus den Golfstaaten bleiben weg. Nun soll verstärkt der europäische Markt beworben werden

Die Leute fliegen jetzt in die Türkei statt in den Libanon

VON RAPHAEL THELEN

Ohne Tourismus funktioniert dieses Land nicht“, sagt Walid und stützt die Ellenbogen auf die Bar. Seit 22 Jahren ist er der Oberkellner im berühmten Restaurant Chez Pepe in der nordlibanesischen Stadt Byblos. Hunderte Schwarz-Weiß-Fotos hängen an den Wänden und zeugen von diesem legendären Ruf: Marlon Brando mit Zigarette, Brigitte Bardot mit verschmitztem Lächeln, JFK mit Jackie. Sie alle kamen früher zu Pepe und feierten rauschende Feste mit Champagnerpyramiden, Hummer und Tanzbären. Der Hafen, den das Restaurant überblickt, war in Jetsetkreisen so bekannt wie Nizza und Monaco.

Nach dem Bürgerkrieg waren davon nur noch die schwarz-weißen Erinnerungen übrig. Doch nach und nach strömten erneut Besucher ins Land und die Tourismusbranche erholte sich. Dennoch sitzen an diesem Abend kaum ein Dutzend Gäste auf der Terrasse. Die Kellner wandern gelangweilt umher.

„Vor zwei Jahren hatte ich hier als Tischanweiser keine freie Minute“, sagt Walid. „Heute stehe ich die meiste Zeit einfach nur rum.“ Vor zwei Jahren, das war vor dem Beginn der syrischen Revolution, vor dem Beginn des Bürgerkriegs. Der Libanon ist fast vollständig von Syrien umschlossen und die Politik der beiden Länder ist eng verwoben. Dass der Krieg in Syrien auch hier Probleme bereiten würde, war nur eine Frage der Zeit. Und so zerstört der Konflikt all das, was der Libanon seit dem Bürgerkrieg wieder an Tourismusindustrie aufgebaut hatte.

Tourismus ist das Öl des Libanons

„Wir verzeichnen einen Rückgang von 12,3 Prozent an Besuchern im Vergleich zum Vorjahr“, sagt Fadi Abboud, Tourismusminister des Landes, und versucht die Situation schönzureden: „Das ist nicht so schlimm wie in Ägypten oder Jordanien.“ Auf den ersten Blick hat er recht. Doch die Zahlen zeigen nur die halbe Wahrheit. Zum einen ging die Besucherzahl im Vorjahr schon fast um ein Viertel zurück. Und zum anderen sind es gerade die gutzahlenden Gäste aus den Golfstaaten, die das Land verlassen haben.

In der regionalen Logik des syrischen Konflikts unterstützen die sunnitischen Golfstaaten die Opposition, während Libanons Schiiten zu Baschar al-Assads Regierung stehen. Der Konflikt überschattet immer wieder den Libanon. Im Mai brachen Kämpfe in der nordlibanesischen Stadt Tripoli zwischen Unterstützern und Gegnern Assads aus, woraufhin die Regierungen der Golfstaaten eine allgemeine Reisewarnung aussprachen. Viele Libanesen sahen damit die Sommersaison schon als ruiniert an. Doch im August eskalierte die Situation.

Oppositionelle in Syrien entführten ein Mitglied eines schiitischen Clans aus dem Libanon. Im Gegenzug schickte der Clan seine Miliz los, entführte 20 Syrer und einen Türken und kündigte an, auch auf Bürger der Golfstaaten Jagd zu machen. Die Regierungen der Golfstaaten riefen daraufhin alle ihre Bürger auf, den Libanon zu verlassen. Wer sich weigerte, bekam einen persönlichen Anruf von der Botschaft. Für den Tourismus im Libanon war das ein schwerer Schlag. Die wohlhabenden Touristen aus den Golfstaaten machen 22 Prozent der Besucher aus. Gleichzeitig sind sie für 40 Prozent der touristischen Einnahmen verantwortlich. Sie wohnen in den besten Hotels in Beirut, mieten teure Sportwagen und gehen ausgiebig einkaufen. Sie genießen die Freizügigkeit Beiruts.

„Die Besucher aus den Golfstaaten sind unsere wichtigsten Touristen“, sagt Abboud. „Ohne sie kann eine Saison nicht gut werden.“ Ähnliches gilt für Besucher aus der Türkei. Auch sie können ohne Visum in den Libanon einreisen und haben einen immer größeren Anteil der Besucher ausgemacht. Doch seit der Entführung des türkischen Geschäftsmanns und anschließenden Gerüchten, dass er bei der Befreiung angeschossen wurde, bleiben auch die türkischen Besucher aus.

Neben den Golfstaaten und der Türkei kommen die meisten Touristen aus dem Iran und dem Irak. Doch da sie größtenteils auf dem Landweg kamen, bleiben auch sie aus. „Im Jahr 2010 kamen allein 180.000 Iraner in den Libanon“, sagt Abboud. „Doch auch diese Zahl ist um 90 Prozent eingebrochen.“

Eine schlechte Saison betrifft einen großen Teil der libanesischen Bevölkerung. Abboud schätzt, dass 250.000 Menschen ganzjährig im Tourismus arbeiten und doppelt so viele in der Hochsaison. Damit ist Tourismus der größte Arbeitgeber des Landes. Die Umsätze der touristischen Branche machen mehr als ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts aus.

„Früher arbeiteten hier noch 15 Kellner im Pepe“, sagt Walid und sortiert ein paar Flaschen. „Jetzt sind es noch sieben. Der Rest ist arbeitslos.“ Im Hotel nebenan ist die Situation ähnlich. Am Samstagabend ist gerade mal ein Zimmer belegt. Die Angestellten sitzen an der Bar. „Ich verstehe die Menschen. Wenn ich das ganze Jahr gearbeitet hätte, dann will ich auch einfach entspannen. Deswegen fliegen die Leute jetzt in die Türkei, statt in den Libanon“, sagt Walid.

Minister Abboud plant, dem Problem offensiv zu begegnen. „Wenn eine Touristengruppe ausbleibt, dann müssen wir sie durch eine andere ersetzen.“ Dabei sollen vor allem Besucher aus Frankreich, England und Deutschland eine größere Rolle spielen. Zu diesem Zweck plant er Fernsehwerbung in den Zielländern sowie spezielle Promotionspakete für Ausländer, die in den Golfstaaten wohnen.