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Thomas Mauch hört auf den Sound der Stadt

Wer am Samstag noch nichts Besonderes vorhat und sich einen netten Abend machen möchte mit einem bunten Strauß an Melodien, der könnte es vielleicht mal mit Dieter Thomas Kuhn probieren.

Wobei man sich zuerst besser mal selbst befragt. Ob man zum Beispiel, ohne groß darüber nachzudenken, so Songzeilen vervollständigen kann wie „Eine neue Liebe ist …“ oder „Dreh dich einmal um, schau in ihr Gesicht…“ Und ob, wenn man es kann, sich da auch etwas rührt in einem.

Es gab ja einmal eine Zeit, da kam man an diesen Liedern wirklich nicht vorbei, da musste man gar nicht eigens die „Hitparade“ gucken, weil er halt in seiner goldenen Zeit in den Siebzigern überall war, der deutsche Schlager. Da konnte man sich durchaus gegen ihn entscheiden. Und man entkam ihm dennoch nicht.

Was ja am Anfang gerade der Witz war, als dieser Dieter Thomas Kuhn aus Tübingen mit seiner Band – es war Mitte der Neunziger – die Schlager aus der Mottenkiste holte und sie einem verblüfften Publikum vor den Latz knallte. Verblüfft waren die Menschen gar nicht so sehr wegen der Schlager. Sie waren es, weil sie durchaus indigniert feststellen mussten, dass sie die alle, und das noch mit wachsender Begeisterung, mitbrüllen konnten. So tief steckten die in der je eigenen musikalischen DNA, auch wenn man glaubte, dass sie da gar nichts zu suchen hätten. Schließlich hatte man doch alle Verfeinerungen des Indierock mitgemacht. Kuhn übrigens sang vorher Soul. Erfolg hatte er damit nicht.

Aber heute? Das eigentlich Verblüffende an der fortdauernden Karriere Kuhns ist doch, dass da mittlerweile längst massenhaft Leute im Publikum stehen, die diesen Schlager gar nicht als irgendwie peinliche Kindheitserinnerung kennen können, weil sie damals schlicht noch nicht auf der Welt waren. Was Kuhn mit seinem Schlagerrecycling so doch zu einem Phänomen macht. Begucken kann man sich das am Samstag in der Waldbühne (Glockenturmstr. 1, 19.45 Uhr, 38 €).

Andere Musik. Föllakzoid kommen aus Chile und arbeiten mit dem ewigen Prinzip einer jeden zur Trance hin orientierten Musik: der Repetition. Dass das dann auch nach Kraut- und Spacerock klingt, liegt an dieser Regel. Nach retro aber klingt es nicht, weil dieses Prinzip eben ewig und damit stets gegenwärtig ist. Roh wummernder Tribalismus, am Sonntagnachmittag im Urban Spree (Revaler Str. 99, 16 Uhr, 17 €).

Wer wirklich nicht weiß, wie es bei den oben zitierten Liedern weitergeht: Ersteres mündet in ein „… wie ein neues Leben, Nanananana“, Zweiteres in „Tränen lügen nicht“. Eben.

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