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wortwechselWas dürfen deutsche Israelkritiker – was nicht?

Der Umgang mit dem Staat Israel bringt der taz immer viel Post von Leserinnen und Lesern ein. Außerdem zum BGH-Urteil zur „Fixierung“ von Patienten. Plus Özil und anderes

Palästinenserjunge „Handala“ in Gaza Foto: Mohammed Saber/dpa/picture alliance

„Alles andere als überraschend“, taz vom 19. 7. 18

In Gesamthaftung

Als ich heute Morgen den Kommentar von Klaus Hillenbrand auf der Titelseite der taz zum Thema Antisemitismus gelesen hatte, fühlte ich mich nicht nur verstanden, sondern ermutigt! Vielen herzlichen Dank dafür an Klaus Hillenbrand! Fast täglich wehre ich mich in Gesprächen gegen die Kritik an Israel, und natürlich nur Israel, als Sündenbock für alle Probleme dieser Welt, die als antisemitisch, weil antijüdisch und unspeziell mit Gesamthaftung rüberkommt. Zum Glück begegne ich dem Hass nicht im Netz, dazu bleibe ich lieber in meiner Blase. Gleichwohl arbeite ich seit Jahren mit Schulklassen am Gedenken zum 27. Januar, tauche also keineswegs ab. Dieser Kommentar hat mich und alle anderen, die sich des Antisemitismus zu erwehren haben, ermutigt und gestärkt. Thomas Berndt, Radebeul

Das geht nicht!

Die neueste Volte der israelischen Politik, Israel nur für jüdische Menschen zu reservieren bei 17,5 Prozent arabischen Bewohnern, darf laut Klaus Hillenbrandt wohl nicht kritisiert werden. Ja wo leben wir denn? Menschenrechtsverletzungen sind überall da, wo sie vorkommen, bei den Toten im Mittelmeer, in libyschen Lagern, bei den Uiguren und bald bei den Kasachen in China, im Kongo, bei den fast zwei Millionen Toten in den letzten Jahren. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt. Amnesty weiß mehr. Auch in Israel gibt es sie! Ob es dem Herrn Hillenbrand passt oder nicht. Conrad Goerg, Bad Ems

Privatsache

Den Ideen der Aufklärung folgend, betrachten deren Anhänger Religion als Privatsache, eine Sicht, die das friedliche Zusammenleben selbst gegensätzlichster Bekenntnisse ermöglicht und weitgehend auch unserer Staatsräson entspricht. Staatsstrukturen, die eine Religion privilegieren, sind hingegen weder friedlich noch aufgeklärt und sind wohl auch nicht, unabhängig von dem Märchenbuch, mit dem sie ihr Handeln begründen, auf gesellschaftlichen Ausgleich angelegt. Dagegen werde ich mich immer gerade machen und bin deswegen noch lange kein Judenhasser, deren Märchenbuch ist mir nämlich so egal wie mir alle anderen Märchenbücher dieser Welt egal sind, und das ganze Rassentheater ist sowieso dummes Zeug.

Klaus-Joachim Heuser, Gütersloh

An der Seite Israels

Ich stimme Ihnen in Ihrer Ansicht und Ihrer Argumentation voll zu und sehe hinter der scheinbar gut gemeinten Israelkritik die antisemitischen Ressentiments immer unverhohlener aufleuchten. Diese Entwicklungen machen mich manchmal sprachlos. Für uns Deutsche muss der Platz an der Seite Israels sein! So geschichtsvergessen und unsolidarisch dürfen wir nicht sein, dass wir das Werk derer, die letztlich die Vernichtung des Staates Israel anstreben, betreiben. Ich bin froh und dankbar, dass Sie den Antisemitismus im neuen Gewand so klar entlarven und benennen und mir dabei auch helfen, einen klaren Blick zu bewahren und Worte für meine Haltung zu finden. Der Rat, „einfach mal die Fresse zu halten“, scheint mir angesichts der Verlogenheit mancher israelkritischer Ar­gu­men­ta­tio­nen, der einzig richtige zu sein. Kein Antisemitismus, keine Diskussion!

Martin Rosenthal, Bielefeld

Schon lange Alltag

Das Nationalstaatsgesetz ist eine logische Konsequenz jahrzehntelanger israelischer Politik. So gesehen ist es ehrlich, denn es gibt die Stimmung und die Verhältnisse nicht nur in der Knesset wieder. Schon Ben Gurion wusste, dass man die Realität eines jüdischen Staates nicht herbeiführen kann durch vereinzelten Land- und Häuserkauf. Er hat schon 1942 öffentlich den Anspruch auf ganz Palästina geltend gemacht. Schon damals gab es dazu eindeutige Pläne bis hin zu „Plan Dalet“, der die systematische und vollständige Vertreibung der Palästinenser zum Ziel hatte. Wer die Augen aufmacht, kann in Ostjerusalem und im Westjordanland sehen, mit welcher Konsequenz die israelische Regierung an der Logistik eines jüdischen Staats arbeitet. Das gesamte Straßennetz im südlichen Westjordanland verbindet zunehmend die wachsenden jüdischen Siedlungen und darf von Palästinensern nicht benutzt werden!

Die Trennung von Arabern und Juden ist ausdrücklich erwünscht. Israelis dürfen A-Gebiete im Westjordanland nicht betreten, und die wenigsten Israelis wissen, was überhaupt in palästinensischen Gebieten geschieht. Nichtjuden in Israel sind schon seit Langem Bürger zweiter Klasse, da sie keine vollen Bürgerrechte besitzen, die in Israel nur jüdischen Staatsbürgern zustehen. In Ostjerusalem kann man sehen, dass das Versorgungsnetz außerhalb der jüdischen Siedlungen sofort aufhört – keine Bürgersteige, keine Bushaltestellen, keine Bepflanzung. Läuft die Arbeitserlaubnis für einen arabischen Arbeiter aus, kann er sie nicht etwa schon drei Tage vor Ablauf erneuern, sondern muss sie am Ablauftag selbst neu beantragen, was bedeutet, dass er für einige Zeit keine Erlaubnis hat, nicht durch den Checkpoint kommt oder seine Arbeit oft ganz verliert. Das Nationalstaatsgesetz ist schon lange Alltag! Hildegard Meier, Köln

Genormte Kinder?

„Die seltenen Kinder“, taz vom 18. 7. 18

Nein, ich bin absolut keine Abtreibungsgegnerin. Ja, ich habe einen erwachsenen Sohn mit Downsyndrom. Ich erinnere daran, dass unsere Kanzlerin, Frau Merkel, 1995 federführend daran beteiligt war, die eugenische Indikation aus dem Paragrafen 218 zu streichen. Ein Embryo mit Downsyndrom legitimiert also nach dem Buchstaben des Gesetzes keine Abtreibung.

Wie kommt es dann trotzdem dazu, dass 90 Prozent der Menschen mit Trisomie 21 nie die Chance haben zu leben? Das geht über die medizinische Indikation. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass ein Kind mit Downsyndrom einen schweren seelischen Schaden bei der Mutter verursachen kann.

Wenn schon die Lebenshilfe von einer „traumatischen Situation“ spricht, wenn der statistisch gar nicht so seltene (1:100 bei einer 40-jährigen Frau) Fall eintritt, ein „behindertes Kind“ mit Downsyndrom zu bekommen, sagt das viel über unsere Akzeptanz von Andersartigkeit aus. Wir schreien empört auf, wenn wir von der Selektion weiblicher Feten in Indien hören. Aber die Abtreibung und auch Spätabtreibung dann eigentlich schon lebensfähiger Feten mit Trisomie 21 ist für uns als Gesellschaft kein Problem. Es ist sogar gesellschaftlicher Konsens dies quasi unausgesprochen als Norm vorauszusetzen. Ich finde es wichtig, bevor wir uns entscheiden, Kinder in die Welt zu setzen, uns darüber klar zu werden, welche Erwartungshaltung wir haben, und zu reflektieren, dass ein Kind immer individuell ist und häufig nicht in das Raster der Erwartungen der Eltern passt.

Julia Liesegang, Alfter

Gegen Speckrollen

„Ariane Sommer: Pflanzen essen“, taz vom 21./22. 7. 18

Sehr geehrte Frau Sommer, es tut mir herzlich leid für Sie, dass Sie nicht zu Ihren Speckrollen stehen können, sondern sich auch irgendwelchen Normen unterwerfen, um nicht „ photogeshopt“ werden zu müssen! Iris Frank-Graefen, Duisburg

Linkes Spiel

„Ö“, taz vom 18. 7. 18

Mesut Özil hat seinen politischen Standpunkt offenbart, und jetzt ist plötzlich von Rassismus die Rede. Nebenbei war der Auftritt mit Erdoğan auch Werbung für Fly Emirates. Dass Leute vom DFB diese Sache so aufbauschen und als Ursache für das schlechte Abschneiden bei der WM werten, ist genauso link wie die Rassismuskarte spielen vonseiten Özis. Beate Schmidt, Borchen

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