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Der Outsider

Geburt eines Troubadours: Der Singer-Songwriter Philip Bradatsch huldigt der Americana-Romantik

Von Jan Jekal

Philip Bradatschs wunderbares Album „Ghost on a String“ führt einem vor Augen, wie wenig Kanonisierungsprozesse mit der Substanz ihrer Gegenstände zu tun haben und wie sehr es doch um die Geschichten geht, die sich um die Gegenstände herum erzählen lassen, und darum, wie gut die Geschichten sich mit dem vereinen lassen, was unter Zeitgeist verstanden wird.

Bradatsch, der tief in der bayerischen Provinz in der Kleinstadt Kaufbeuren im Allgäu lebt, hat die Lieder, aber er hat nicht die Zeit und nicht den Ort. Seine Baby-Boomer-Männer-Americana-Romantik steht gerade nicht hoch im Kurs. 2018 ist nicht 1969 oder 1975, und Kaufbeuren ist nicht Kalifornien. Die Geschichte, die über den 32-Jährigen erzählt wird, ist die des stoischen Troubadours, des einsamen Einzelkämpfers, des fahrenden Sängers, der weitermacht, obwohl es dafür keinen Grund gibt, außer dem Glauben an die Sache selbst. Seine Mutter ist Krankenschwester, der Vater Maschinenschlosser; die Freunde von früher sind heute Anwälte und Ingenieure. Nur Bradatsch hat noch nicht aufgegeben. Er macht weiter.

Genug der Geschichten und hin zur Musik. In dem vielleicht besten Stück des Albums –– das Lied heißt dann auch noch „Outsiders“ –– verbindet Bradatsch seine beiden großen Qualitäten als Songwriter: Er nimmt, wie hier in der Bridge, mit seinen Akkordfolgen gekonnt Umwege, führt die Melodie erst nach wunderbar dissonanten Moll-Exkursen zur Auflösung, um dann aber – und das ist seine zweite Qualität – auf die Einfachheit zu vertrauen; die Katharsis im Refrain kommt in Form von Close Harmony und nur drei Dur-Akkorden und der programmatischen Zeile „We’re outsiders wherever we go“. In der Strophe legt er über die Akustikgitarre, die das Lied eingeleitet hat, eine sauber-verhallte Leadgitarre, die Jazz-Figuren um die Akkorde her­umspielt und die in der Bridge plötzlich von einer schmutzigen Fuzz-Box abgelöst wird. Es gibt einen Break später mit Klavier-Zwischenspiel, in dem nur die hohen Tasten benutzt werden, wie bei Springsteen. Bei aller kompositorischen Solidität ist „Ghost on a String“ also ein Album voller Ornamente.

Das Album „Ghost on a String“ eingerichtet und Schlagzeug gespielt hat Tobias Hieber. Alle übrigen Instrumente hat Bradatsch eingespielt. Ihr Kaufbeurener Studio befindet sich in einem ehemaligen Boxclub. Über anderthalb Jahre haben sie dort an den Songs gearbeitet. Bradatschs Stimme – ein angenehmer Bariton, der, wenn mit Druck intoniert, nach Dylan in dessen christlichster Phase klingt – ist präzise und mit hoher Aussteuerung abgenommen; vor allem im ersten Lied, der spärlich instrumentierten Pianoballade „Down, Down, Down“, ist jede kleine Unsauberkeit zu hören. Bradatsch ist hier im zaghaften Modus und hält mit leiser Stimme hohe Noten, um sie dann doch in die Tiefe zu stürzen.

Der Titelsong beginnt als Delta-Blues und wandelt sich, in einer der wenigen schlechten Entscheidungen des Albums, zu einer Art Piraten-Rock. Die einzige Fehleinschätzung, die man Bradatsch vorwerfen könnte, ist diese Tendenz zu großformatiger Rockmusik, der seine Stimme nicht ganz gewachsen ist und der er in Sachen Arrangement wenig Interessantes abzugewinnen vermag. Die offenkundigen Vorbilder von Bradatsch spielen nicht unbedingt in einer anderen Liga als er. Sie sind nur vor ihm da gewesen. Es sieht nicht so aus, als würde der mit seiner Musik gerade ein größeres Publikum erreichen können. Falsche Zeit, falscher Ort. Keine schlechte Geschichte.

Philip Bradatsch: „Ghost on a String“ (Trikont/Indigo); live 15. Juni, „Bröken Fest“

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