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Esther Slevogt betrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen

Der Ort ist schon mal toll: das ehemalige Stummfilmkino Delphi in Berlin-Weißensee. 1929 eröffnet, atmet es den Geist der Epoche, als der deutsche Stummfilm mit expressionistischen Meisterwerken wie „Das Kabinett des Dr. Caligari“, „Metropolis“ oder „Nosferatu“ für das Weltkino stilprägend war. Unter anderem deshalb, weil diese Filme auch für von der rasenden technologischen Entwicklung untergepflügte Ängste der Menschen bildmächtige Ausdrucksformen fanden. Ängste, die dem Faschismus bald sehr in die Hände spielten, was in seinen filmsoziologischen Schriften der große Siegfried Kracauer luzide analysiert hat. Seit 1959 völlig kinofremd genutzt, ist das Delphi inzwischen mit viel Sinn fürs Detail und Patina restauriert und zu einem sehr speziellen Veranstaltungsort ausgebaut worden: Und der ideal für das Projekt erscheint, das hier am 18. Mai das Licht der Öffentlichkeit erblicken wird: „Cyborg-City/die Schlacht um Troja.kon“. Es handelt sich um ein Theaterprojekt, dass wie ein Computerspiel funktioniert: also die Beteiligung der Zuschauer*innen erfordert, die das Kunstwerk wie einen Raum betreten, um darin zu Spieler*innen zu werden. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Stadt der Zukunft, und die Zuschauer*innen betreten sie, um entweder als auf der Seite der Cyborgianer oder der Trojakoniken für oder gegen Technisierung und Digitalisierung zu kämpfen. Auf der Basis der „Ilias“ von Homer soll das Prinzip der Täuschung und Simulation herausgearbeitet und in die Zukunft übertragen werden: Was passiert, wenn das Trojanische Pferd unsere gesamte Realität bestimmt? Entwickelt haben dieses Theater-Spiel die Dramaturgin Ann-Sylvie König und der Autor und Regisseur Rolf Kasteleiner. Beraten wurden sie dabei von der Game-Designerin Inge Ling. (Ehemaliges Stummfilmkino Delphi: „Cyborg-City“, 18. bis 20. Mai, jeweils 19–22 Uhr. Voranmeldung wichtig! Alle Infos: theater-im-delphi.de).

Ein toller Ort, speziell in diesen schönen Maitagen, ist auch das wunderbar am Tiefen See der Havel gelegene Potsdamer Hans Otto Theater gleich hinter der Glienicker Brücke. Dort verabschiedet sich Tobias Wellemeyer durchaus symbolträchtig mit William Shakespeares „Der Sturm“ als Intendant, bevor in der kommenden Spielzeit dann Bettina Jahnke seine Nachfolge antreten wird: In dem Stück geht es um den entmachteten Fürsten Prospero und seine Tochter Miranda, die lange Jahre auf einer abgelegenen Insel verbracht haben. Nun ist es Zeit, die alten Rechnungen zu begleichen und die Zukunft aufzubrechen. (Hans Otto Theater: „Der Sturm“, Premiere 18. Mai, 19.30 Uhr).

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