Elise Graton Globetrotter: Von Druiden, die Mobiltelefone haben, Marion Montaigne und dem Astronauten Thomas Pesquet
Es gab mal wieder was zu feiern in der Familie, und so haben wir uns, meine Eltern und Geschwister, zu einem gemeinsamen Ausflug mit dem Auto in die benachbarte Bretagne aufgemacht.
Schon nach wenigen Kilometern fiel mir wieder ein, dass lange Autofahrten zäh werden können. Zum Glück hatte ich mir noch kurz vor Abfahrt ein dickes Comicbuch besorgt: „Dans la combi de Thomas Pesquet“ (Im Anzug von Thomas Pesquet) heißt das Werk. Thomas Pesquet ist Astronaut, und ich mag Astronauten. Aber das Buch würde ich erst später lesen können, wie ich merkte: Im Auto wird mir davon sonst übel.
Irgendwann fahren wir dann an den ersten zweisprachigen Ortsschildern vorbei, und meine Mutter schlägt vor: „Wer zuerst einen Menhir sieht, hat gewonnen!“ Fünf spannende Minuten später gewinnt mal wieder meine Schwester und sichtet einen jener neolithischen Hinkelsteine, die in der Region nicht gerade rar sind. Als dann kurz darauf die über 3.000 Exemplare von Carnac auftauchen, glaubt meine Mutter, von der Gegend sichtlich inspiriert: „Zur Wintersonnenwende ist hier bestimmt die Hölle los.“
Wieso, frage ich. „Am 22. Dezember feiern Druiden ihr Neujahr“, so meine Mutter. „Auch wenn diese Menhire mehrere Jahrtausende älter sind als die Kelten, versammeln sie sich um Megalithen, um ihre Rituale zu vollziehen“. Ach, Druiden gibt’s noch? „Na klar“, schaltet sich mein Vater ein. „Ich kenne sogar einen“. Und was macht der so als Druide, bohre ich weiter. „Keine Ahnung“, murmelt er. „Aber ich kann dir seine Handynummer geben.“
Ich schiele auf meinen neuen Astronauten-Comic, der auf der Rückbank auf mich wartet. Gezeichnet und geschrieben hat ihn Marion Montaigne, die ich glühend verehre. Von ihren Berichten über den Zoo vom Jardin des Plantes in Paris war ich schon 2013 begeistert. Auch in ihren späteren Arbeiten schafft sie es wie sonst niemand, komplexe wissenschaftliche Themen zu erläutern und gleichzeitig die Gattung Mensch in all ihrer trivialen Schlichtheit vorzuführen.
Dass sie ein neues Buch über den französischen Weltraumfahrer Thomas Pesquet geschrieben hat, davon habe ich nur zufällig auf France Inter erfahren, als der Sender vom diesjährigen Comicfestival in Angoulême berichtete. Beim Zuhören dachte ich spontan: Der Name sagt dir doch was? Bis es mir dämmerte: Ist das nicht der Astronaut, von dem ich immer wieder vergesse, dass ich ihm auf Facebook folge!
Jedes Mal, wenn ich ihn wieder verorte, freue ich mich sehr über seine neuesten Nachrichten und Bilder. Was mir entging, war, dass neben mir eine weitere Million FranzösInnen seinem Werdegang folgten – darunter Marion Montaigne, die ihn im Gegensatz zu mir bei den Vorbereitungen zu seiner Mission begleiten durfte, alles über die Zeit weiß, in der er oben war. Davon erzählt das Buch.
In Quimper angekommen, versuche ich, mein Lesevergnügen künstlich in die Länge zu ziehen, und gönne mir nur die ersten paar Seiten. Doch schon bald muss ich das Buch sowieso zur Seite legen: Bei den Schilderungen der extremen Herausforderungen, die ein Astronaut durchstehen muss, wird mir selbst im dick gepolsterten Sessel mulmig.
Dennoch, es ist ein Vergnügen: Ich staune nicht schlecht über den wissenschaftlichen Aufwand zur Bekämpfung der Reiseübelkeit, die Berechnungen, die es ermöglichen, dass ein Astronaut im All nicht augenblicklich zu Staub zerfällt, oder was im Vorfeld alles bedacht werden muss, wenn man einfach mal aufs Klo muss. Montaigne entmystifiziert den Astronautenalltag – und lässt dabei dessen Härte umso krasser erscheinen. Ganz nebenbei beantwortet sie auch die Frage „Wozu das Ganze?“
Marion Montaignes Bücher sind leider noch nie ins Deutsche übersetzt worden. Der Verlag, der es als Erster macht, hat gewonnen.
Elise Graton ist Übersetzerin und Autorin in Berlin
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