piwik no script img

Im Brook

Hamburger Szene von Ilka Kreutzträger

Dass die Maklerin spinnt, ist irgendwann klar, aber zum Umdrehen ist schlicht kein Platz

Liest man immer mal und fasst sich an den Kopf: „Frau folgt Navi und landet im Fluss“ oder „Navi führt Mann auf die Skipiste“. In Süddeutschland verirrte sich mal ein Mann so tief im Wald, dass sein Auto letztlich einen Abhang runterrutschte. Kann doch gar nicht sein, denkt man sich. Wie kann man bloß so vertrauensselig sein? Ich weiß das jetzt.

Neulich wollte ich mir mit einer Freundin ein Holzhäuschen mitten im Duvenstedter Brook ansehen. Wir starten mit einer eher mauen Wegbeschreibung, unser Navi lotst uns mitten hinein in den rund 780 Hektar großen Brook, Hamburgs zweitgrößtes Naturschutzgebiet. Am Zaun einer FKK-Sportgemeinschaft wissen wir nicht weiter. „Barfuss bis zum Hals, Natur hautnah erleben“, wirbt sie. Links des sandigen Weges ducken sich ein paar Häuschen in den Wald, aber unseres ist nicht zu sehen. Rechts vorbei führt der Weg weiter ins Naturschutzgebiet, diese Route sieht eher problematisch aus.

Also rufen wir die Maklerin an, die uns ermutigt, weiterzufahren, es sei alles richtig, wenn wir gleich an eine Holzbrücke kämen. Kamen wir. Also weiter im Text und ignorieren, dass den vom Schneematsch aufgeweichten Sandweg offene Moorflächen säumen.

Der schlammige Weg ist kaum breiter als unser Auto. Meine Freundin hält mit beiden Händen das Lenkrad fest und starrt geradeaus. Ich tue so, als beunruhigte es mich nicht, dass der Wagen immer wieder im Matsch ausbricht und sich Richtung Moor schiebt. Ich suche unser Häuschen, sehe aber nur kahle Bäume und Gestrüpp im morastigen Wasser absaufen. Diverse Mal rufen wir die Maklerin an und jedes Mal sagt sie, alles sei in bester Ordnung, einfach immer weiter. Dass die spinnt, ist irgendwann klar, aber zum Umdrehen ist schlicht kein Platz.

Irgendwann taucht ein Mann vor uns auf. Meine Freundin fragt die Leute auch sonst ständig nach dem Weg, also lässt sie das Fenster runter und fragt, ob hier irgendwo ein Haus im Wald steht. Ich bin mir sicher, dass er uns anbrüllt, warum wir mit dem Auto aus dem Naturschutzgebiet kommen! Aber er sagt nur, wir sollen bis zur nächsten Kurve durchhalten, da gebe es Asphalt. Angebrüllt werden wir trotzdem, von dem Radfahrer, der unbemerkt zu uns aufschließt und den wir beim Anfahren von oben bis unten mit Matsch vollschleudern.

Der Asphalt wartet tatsächlich hinter der Biegung. Bloß schnell weg. Wir fahren einmal auf der Landstraße um den Duvenstedter Brook herum, malen uns aus, wie wir dem Abschlepper erklärt hätten, warum wir im geschützten Moor feststecken und fangen da an, wo wir vor weit über einer Stunde schon mal waren – vor der FKK-Sportgemeinschaft. Und tatsächlich, als wir uns da in Ruhe umsehen und weder Navi noch Maklerin fragen, ist da auf einmal links ein schmaler Weg, der direkt zu dem Holzhäuschen führt, das zum Verkauf steht. Aber wir wollen nun doch kein Haus im Moor mehr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen