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Trommeln für diegroße Agrarwende

Eine andere Landwirtschaft ist möglich. Zehntausende demonstrieren für ein Verbot von Ackergiften, für mehr Tierschutz und eine Ausweitung des Ökolandbaus

Von Alexander Wenzel

Mit Kochtöpfen, Trommeln und Sprechchören haben am Samstag rund 30.000 Menschen mächtig Lärm im Berliner Regierungsviertel gemacht. Anlass war die „Wir haben es satt!“-Großdemonstration. Zu dieser hatte ein Bündnis aus rund 100 landwirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen aufgerufen. Unter dem Motto „Der Agrarindus­trie die Stirn bieten“ protestierten die TeilnehmerInnen gegen die derzeitige Agrarpolitik und forderten einen tier- und umweltgerechten Umbau der Landwirtschaft. Die Demonstration fand parallel zum Beginn der weltgrößten Ernährungs- und Landwirtschaftsmesse „Grüne Woche“ statt.

Im Fokus der Kritik stand der Pflanzenschutzmitteleinsatz in der Landwirtschaft. „Der Einstieg in die Agrarwende muss mit dem Ausstieg aus der Pestizid-Nutzung beginnen“, forderte Christoph Bautz, Geschäftsführer von Campact. Er appellierte an die künftige Bundesregierung, ein Glyphosat-Verbot zu beschließen. Dafür stehen auch die Grünen. Sie sprechen sich für einen sofortigen Ausstieg des Einsatzes von Glyphosat und Neonikotinoiden aus. Generell soll innerhalb der nächsten zwanzig Jahre das Ende der „pestizidintensiven Landwirtschaft“ eingeläutet werden.

Dirk Behrendt, Justiz- und Verbraucherschutzsenator in Berlin, plädierte für eine Kehrtwende in der Agrarpolitik, die nicht Massentierhaltung, sondern artgerechte Haltung fördert. „Was in Ställen passiert, ist nicht mit dem Tierschutz vereinbar“, sagte der Grünen-Politiker. Das Land Berlin habe deshalb per Senatsbeschluss entschieden, die Vorschriften zur Schweinehaltung vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Nach Angaben der Veranstalter beteiligten sich rund 33.000 Menschen an der Demonstration, die Polizei sprach nur von „mehreren Zehntausend“. So oder so wurde damit die erwartete Teilnehmeranzahl von 10.000 weit übertroffen. Mit ihrer Kritik richteten sich die DemonstrantInnen auch an die Teilnehmer einer internationalen Agrarkonferenz. VertreterInnen aus rund 70 Staaten debattierten drei Tage lang über die Zukunft der Landwirtschaft. Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, betonte: „Wir demonstrieren nicht gegen die Agrarkonferenz, sondern wollen Botschaften überbringen.“

Das Ende der pestizidintensiven Landwirtschaft soll in den nächsten 20 Jahren kommen

In ihrem am Sonntag veröffentlichten Abschlusskommuniqué forderten die TeilnehmerInnen die Staatengemeinschaft sowie internationale Organisationen auf, eine nachhaltige und leistungsfähige Tierhaltung zu unterstützen. Dazu gehört auch, die Entstehung von Antibiotikaresistenzen zu verhindern und gegen einen unnötigen Einsatz der Mittel in der Tiermast vorzugehen.

Auf Dialog statt Protest setzte das „Wir machen euch satt“-Gegenbündnis. Die Bauern verzichteten in diesem Jahr auf eine Gegendemo. Stattdessen riefen die OrganisatorInnen unter dem Motto „Deutschland blüht auf“ zu einem bundesweiten Aktionstag auf.

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