berliner szenen: Ich fühle mich beige im Innern
Rituale. Mit zunehmendem Alter werden sie nicht nur wichtiger. Man beginnt sogar, die kleinen Zwangshandlungen zu genießen – nicht nur bei den anderen, sondern auch bei sich selbst. So gehe ich zweimal die Woche schwimmen, immer schön dienstags und freitags. Und damit auch kein Rassismusverdacht aufkommt (weil, wie kürzlich wo zu lesen stand, ein übertriebener Hang zur Ordnung gern mit einer rassistischen Grundeinstellung einhergeht), gehe ich danach immer Japanisch essen. Immer beim selben Japaner. Man kennt mich dort mittlerweile.
Ich habe auch eine neue Jacke erworben – eine Winterjacke mit (zum Glück abnehmbarem) Fellkragen. In hellgrau. Das bei schlechtem Licht wie beige wirkt – woraufhin ich mich mit den Worten „Ich fühle mich beige im Innern, also trage ich auch beige nach außen“ gegen die private Stilkritik einer skeptischen Freundin verteidigt habe.
Immerhin bestelle ich nicht immer dasselbe. Die Ramen-Suppe ist sehr geil, das Curry auch, aber es gibt auch Sushi, das ich stolz mit Stäbchen esse, denn jahrelange Asia-Imbiss-Erfahrung hat mich mit Stäbchen essen gelehrt. Dumm nur, dass mir dieselbe Freundin steckte, dass man – zumindest in Korea – Sushi natürlich mit den Fingern esse. Mit Stäbchen, das machen nur Westler, sagte sie. Was sie auch erzählte: dass man als Schönheitschirurgin nirgends besser verdiene als in Südkorea. Alle ließen sich dort die Lider machen – um westlicher auszusehen. Aber auch Schamlippenkorrekturen seien sehr angesagt.
Was man nicht machen darf: Koreaner mit Japanern verwechseln. Koreanische Restaurants sind sehr angesagt in der Hauptstadt, aber wenn man den Rentner in mir fragt: Ich bleibe beim Bewährten. Und der Japaner in Schöneberg, der ist gut.René Hamann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen