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Kito Nedoschaut sich in Berlins Galerien um

Im vergangenen Jahr produzierte die Berliner Künstlerin Lindsay Lawson ein Neonlampen-Objekt, welches sich um die Traurigkeit von Jogginghosen drehte. Auch in ihrer aktuellen, mit „Nope“ betitelten Schau in der Galerie Gillmeier Rech taucht erneut eine Hose auf – und auch dieses Beinkleid versprüht keine Fröhlichkeit. Es ist eine mit Harz behandelte schwarze Levis 505, in deren Inneren es bedrohlich dampft und brodelt („Nah“ 2017). Die köchelnde Hose steht im hinteren Teil des ehemaligen Ladenlokals, welches Lawson durch drei Schwingtüren in zwei Räume geteilt hat. Der vordere Galerieraum mutet wie eine verwahrloste öffentliche Toilette an, beziehungsweise ein Bühnenbild, welches einen solchen Ort zitiert. Was ist hier eigentlich los? Auf dem Kachelboden findet sich allerlei in Keramik nachgeformter Zivilisationsmüll verteilt: Pizza-Reste, ein Apfelgriebsch, ein gerupfter Wunderbaum, eine zerbeulte Takeaway-Menübox, Einwegkaffeebecher, verlorene Schlüssel, Einzelschuhe sowie Rattenkadaver und etliches mehr. Über allem thront ein gesichtsloses Hoodie-Wesen, der eine Toilettenschüssel mit seinen goldenen Krallen bewacht. Selten wurde der Abgesang auf das Berliner Elend so schön gesungen (bis 20. 12., Do.–Sa. 12–18 Uhr, Körnerstr. 17).

In der Galerie Esther Schipper auf dem ehemaligen Tagesspiegel-Gelände wird man von schöner Rätselhaftigkeit gleich zweifach umfangen. Da ist zum einen der Kunstnebelraum, den die belgische Lichtkünstlerin Ann Veronica Janssens hier installiert hat und in dessen Dichte man schnell die Orientierung verliert. Vorsichtig tastet man sich durch unterschiedliche Licht-Farbzonen (Gelb, Grün und Purpur) voran, während die Schatten der anderen Ausstellungsbesucher ebenso bedächtig vorbeizuschweben scheinen. Nebenan zeigt die Bildhauerin Wiebke Siem sehr putzige Stoffskulpturen. Sie wirken so charmant wie eine entfernte, softe und langgezogene Schlemmer-Puppen-Verwandtschaft, die sich zu einer stummen Familienaufstellung zusammengefunden hat. Diese soften Gefährten lassen sich – so suggerieren es ebenfalls ausgestellte Zeichnungen – wie überdimensionierte Schals um den Hals tragen (bis 16. 12., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Potsdamer Str. 81E).

Behutsam und wild zugleich muten die neo-tachistischen Gemälde von Travis Lycar an, die in der Galerie Dittrich & Schlechtriem in Mitte zu sehen sind. Der in Berlin lebende Kanadier grundiert seine Abstraktionen mit einer speziellen Holzasche, die die Bilder tatsächlich in eine Art eigensinnige Thoreau’sche Grundschwingung versetzt (bis 9. 12., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Linienstraße 23).

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