der stinkende bischof oder: warum wallace and gromit einem englischen käse nicht zu weltruhm verhelfen sollen von RALF SOTSCHECK :
Charles Martell macht sich Sorgen um den stinkenden Bischof. Der wird nämlich bald weltberühmt. Dann werden alle hinter ihm her sein. Und Martell, ein von Natur aus eher fauler Mensch, hätte alle Hände voll zu tun.
Der stinkende Bischof ist ein Käse. Er spielt eine Hauptrolle in dem neuen Trickfilm mit Wallace und Gromit, zwei Knetfiguren, deren Auftritte in Fernsehkurzfilmen ihrem Schöpfer Nick Park bereits einen Oscar eingebracht haben. „The Curse Of The Were-Rabbit“ ist der erste Kinofilm mit den Darstellern aus Plastilin. Es geht dabei um einen Wettbewerb für das größte Gemüse, und Wallace, der Käseliebhaber, sowie sein Hund Gromit sollen auf humane Weise Karnickel von Gemüsebeeten fernhalten. Dann taucht jedoch ein riesiges Gemüsemonster auf und verschlingt alles, was sich ihm in den Weg stellt.
Welche Rolle der stinkende Bischof in dem Film spielt, ist ein Geheimnis, das erst im Oktober gelüftet wird, wenn der Film in die Kinos kommt. Wäre es kein Trickfilm, hätte man die Rolle vermutlich an einen geruchsneutralen und geschmacklosen Cheddar vergeben, den Leib-und- Magenkäse der Engländer, der sich unter dem Grill zu einer gummiartigen Masse zusammenzieht. Der stinkende Bischof trägt seinen Namen nämlich zu Recht und ist für Schauspieler unzumutbar. Er erinnert ein wenig an den berühmten Epoisses, den man in Frankreich laut Gesetz nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln mit sich führen darf. Merkwürdigerweise hat der stinkende Bischof seinen Namen aber nicht etwa wegen seines Geruchs bekommen, sondern wegen der Birnenart, in deren vergorenem Saft er gewaschen wird: Die heißt „stinking bishop“, ist im Vergleich zum Käse jedoch wohlriechend.
Charles Martell ist 1972 nach Dymock in Gloucestershire gezogen und begann, den stinkenden Bischof zu produzieren, einen festen Käse mit klebriger orangegelber Rinde, der nach getragenen Socken riecht. Nach ungewaschenen Tennissocken, genauer gesagt. Seitdem verbreitet der Käse Angst und Schrecken in der Grafschaft. Ein Restaurant wäre beinahe bankrott gegangen, weil es den stinkenden Bischof auf der Speisekarte hatte, wie man bereits beim Betreten der Gaststätte feststellen konnte. Die Kundschaft betrat das Lokal deshalb gar nicht erst. Das nahe gelegene Zisterzienser-Kloster, wo die Mönche vor hunderten von Jahren den stinkenden Bischof erfunden haben, steht vermutlich aus diesem Grund fast genauso lange leer. Der 59-jährige Martell fürchtet nun, dass die Nachfrage nach dem Käse sprunghaft ansteigen wird, wenn der Wallace-und-Gromit-Film in die Kinos kommt. Als Wallace vor einigen Jahren Wensleydale zu seinem Lieblingskäse erklärte, stand die Käserei kurz vor dem Bankrott. Heute beschäftigt sie mehr als 200 Leute. „So etwas will ich nicht“, sagt Martell. „Mehr Geld kann ich gar nicht gebrauchen.“ Er könnte das Rezept der britischen Armee schenken. Wenn die einen gigantischen stinkenden Bischof auf den Irak abwirft, ist das Land schlagartig leer.