: Gewaltfreie Inspektion
Eingezäunt, ausgegrenzt, abgeschoben: Dieses Wochenende bereist die „Aktionstour gegen das europäische Lagersystem“ den Norden. Das Ziel: ein Ende der Massenunterkünfte für Flüchtlinge
Von Anke Schwarzer
Zu einer „Aktionstour gegen das europäische Lagersystem“ ruft am Wochenende das „NoLager-Netzwerk“ auf. Erste Station ist am Samstag das niedersächsische Abschiebelager Bramsche-Hesepe, dem eine „öffentliche gewaltfreie Inspektion“ abgestattet werden soll. Das ehemalige „Grenzdurchgangslager“ für Spätaussiedler ist seit vergangenem Jahr mit 550 Plätzen das größte Lager in der Bundesrepublik Deutschland.
Die Asylsuchenden dürfen das umzäunte Gelände zwar durch eine Kontrollpforte verlassen, ihr Alltag ist aber völlig von der Lagersituation bestimmt: Unterkunft, Nahrung, Kleidung und ambulante medizinische Hilfe erhalten sie nur dort. Sogar eine lagerinterne Schule wurde eingerichtet.
Das karge Taschengeld von etwa 40 Euro monatlich erlaubt in Bramsche-Hesepe kein Leben außerhalb der Lagergrenzen. „Die Konzeption des Lagers befördert die soziale Isolation der Flüchtlinge und die Ghettoisierung nach außen“, heißt es in dem Aufruf, den auch mehrere Wissenschaftler unterschrieben haben. Sie setzen sich dafür ein, dass die Flüchtlingslager abgeschafft werden.
Am Sonntag geht es dann im Konvoi nach Mecklenburg-Vorpommern, zum Containerlager Görries am Schweriner Stadtrand und zu der nahe Boizenburg gelegenen Flüchtlingsunterkunft Horst. Vor allem das Lager in Horst, wo die Flüchtlings-Erstaufnahme von Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern zusammengeführt werden soll, erhitzt die Gemüter. Die Flüchtlingsräte von Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern kritisieren die Errichtung der „Landesgemeinschaftsunterkunft“: „Die ehemalige Grenzanlage liegt mitten im Wald. Es gibt keine Kontaktmöglichkeiten mit Einheimischen oder eine Anbindung an Beratungsstellen, Rechtsanwälte, Ärzte, Bildungseinrichtungen und Kulturangebote,“ sagt Cornelia Gunßner vom Hamburger Flüchtlingsrat.
Die Flüchtlingsräte befürchten, dass in Horst ein „Ausreisezentrum“ entsteht (siehe Kasten). „Das ist schlicht und einfach falsch“, sagt der Sprecher des Innenministeriums in Schwerin, Bernd Fritsch. „Bereits kommunal untergebrachte Ausländer gesondert unterzubringen war und ist nicht beabsichtigt.“ Auch von einer Isolation der Ausländer könne keine Rede sein, es beständen bereits Kontakte zur deutschen Bevölkerung.
„Wir befinden uns in fließendem Gewässer“, sagt Martin Link vom Flüchtlingsrat Schleswig Holstein. Zwar würde niemand aus den Landkreisen zurückgeholt, aber die Verbleibzeiten in Horst seien auf 12 Monate erhöht worden. Gleichzeitig würden die Plätze in den Kommunen nach und nach wegen zu geringer Auslastung reduziert. Dies führe faktisch zu einer Zentralisierung der Unterbringung.