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Archiv-Artikel

Seen, Schmecken und Genießen

FISCH Wer berlinerisch kocht, kommt um Karpfen & Co. nicht herum. Produkte aus regionalem Fang gibt es nicht an jeder Ecke, doch Suchen und längere Wege lohnen sich

Bezug & Buch

■ Havelfischerei Liptow & Gabriel: Fährstraße 16, 13503 Berlin (Heiligensee), havelfischer.de, Aktuelle Öffnungszeiten online.

■ Fischerei J. Vaupel: Am Dachsbau 101, 13503 Berlin (Heiligensee), fischerei-vaupel.de, Aktuelle Öffnungszeiten online.

■ 1. Berliner Fischmarkt: Rothenbachstraße 48–50, 13089 Berlin (Pankow), berliner-fischmarkt.de, Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 8.00 bis 19.00 Uhr. Samstag von 8.00 bis 14.00 Uhr.

■ Glut und Späne: In der Markthalle IX, Pücklerstraße 34, 10997 Berlin (Kreuzberg), glutundspaene.de, Öffnungszeiten: Freitag 12.00 bis 19.00 Uhr, Samstag 9.00 bis 16.00 Uhr, Dienstag bis Donnerstag auf Anfrage.

■ Kochbuchtipp: Traditionelle und neuere regionale Rezepte mit produkt- und landeskundlichen Exkursen sowie Bezugsadressen für Produkte. Ulla Heise: Reisen durch die Küchen von Brandenburg & Berlin. Verlag für die Frau, Leipzig. (sib)

VON SIBYLLE MÜHLKE

Die ersten „Berliner“ in der Mittleren Steinzeit waren Fischer. Der erste urkundliche Beleg stammt aus dem frühen 14. Jahrhundert: Im Jahr 1318 überlässt der Markgraf von Brandenburg den Fischzoll zu Berlin und Cölln dem Jungfrauenkloster Spandau. Diese und viele andere erhaltene Fischereiurkunden zeigen, dass Fisch ein wichtiges (Wirtschafts-)Gut darstellte. Gefangen wurde er nicht nur in Havel, Spree oder einem der rund 3.000 Seen. Auch mit der planmäßigen Fischzucht wurde früh begonnen. In Peitz legten Mönche bereits im Hochmittelalter Fischzuchtteiche an. Fische und andere Wasserbewohner gehören also fest zur Region und zur Küchentradition Berlins – so wie Teltower Rübchen oder Spreewälder Sauergemüse.

30 Arten in 3.000 Seen

Heute gibt es im Berliner Stadtgebiet noch etwa eine Handvoll Berufsfischer, in Brandenburg dürften es über hundert sein. Doch die Vielfalt in ihren Netzen findet nur selten den Weg auf Berliner Teller. Allein der Havelzander, ein leckerer Fisch mit festem Fleisch, der sein zartes Aroma dem besonders feinen Havelsand verdanken soll, ist allgegenwärtig. Dabei gibt es rund 30 verschiedene Fischarten in Berlins und Brandenburgs Gewässern. Nicht alles Speisefische, doch einige Arten lohnen durchaus die (Wieder-)Entdeckung.

Karpfen werden unter anderem im Müggel- und Seddinsee gefangen oder sind Zuchtfische. Sie sind der eigentliche Klassiker der Berliner Fischküche, in Bier- oder Schwarzbrotsoße oder braun gebraten. Schleie sind Karpfenverwandte, sie haben ein noch kräftigeres Aroma und schmecken als „Schleie blau“ – das klappt aber nur mit wirklich frischen Exemplaren.

Für Grätenphobiker und große Tafelrunden eignet sich Wels, ein delikater, etwas fetter, nahezu grätenloser Fisch, der bis zu 250 Kilo schwer werden kann. Gegessen werden jedoch nur junge Exemplare der 3-Kilo-Klasse, meist gebeizt und anschließend gebraten oder gedämpft. Wels gibt es als Zucht- oder Angelfisch. Der Hecht gehört zu den häufigsten Fischen in unseren Gewässern. Sein Fleisch ist sehr trocken, deswegen eignet er sich am besten zur Herstellung von Klößchen, Fischburgern oder Hechtsuppe; regionaltypische Varianten sind Speckhecht und das Garen im Buttermilch-Bier-Sud. Hechtsuppe muss übrigens wirklich sehr lange ziehen; der Ausspruch „Es zieht wie Hechtsuppe“ geht jedoch nicht darauf zurück, sondern ist eine Verballhornung der jiddischen Begriffe hech (wie) und supha (Sturm).

Der feinste der regionalen Speisefische ist die Maräne. Nie gehört? Fischfans werden eher aufhorchen, wenn sie die süddeutsche Bezeichnungen „Renke“ oder „Felchen“ hören. Maränen finden sich in Brandenburgs klarsten und tiefsten Seen, etwa dem Werbellin- und dem Stechlinsee. Je nach Art werden die köstlichen Fische 10 bis etwa 35 Zentimeter lang. Kleine Exemplare werden im Ganzen gebacken und kalt gegessen, größere schmecken gebraten.

Die Berliner scheinen frischen, gut zubereiteten Fisch zunehmend zu schätzen. Anders lässt sich nicht erklären, dass an verschiedenen Ecken der Stadt immer mehr Fischgeschäfte mit hochwertigem Angebot eröffnen, oft Kombinationen aus Imbiss und Frischfischverkauf. Doch es ist immer noch einfacher, Lachs aus Norwegen, Doraden aus dem Mittelmeer oder asiatischen Pangasius zu bekommen, als Schleie, Hecht & Co., die in unmittelbarer Nähe gezüchtet oder gefangen werden. Nach Fischen aus Berliner und Brandenburger Gewässern muss man ein wenig suchen. Viele Berliner Fischereibetriebe haben auch einen Direktverkauf, die Öffnungszeiten sind jedoch unregelmäßig – vorher anzurufen ist ratsam. Auch das Angebot kann begrenzt sein. Das liegt nicht nur am Fangglück. Für viele Angelfische gelten strikte Schonzeiten. Der „1. Berliner Fischmarkt“ ist ein großer Fischhandel inklusive Räucherei und Fischimbiss. Neben einer umfassenden Auswahl schuppiger Importware gibt es dort auch Fische aus heimischen Gewässern. Klein und fein ist „Glut und Späne“ in der Markthalle IX. Inhaber Michael Wickert ist Fischfan von Kindesbeinen an und studierter Fischereiwissenschaftler. Bei ihm gibt es Geräuchertes und andere Spezialitäten aus nachhaltiger Fischerei, bezogen werden die Fische unter anderem direkt von See- und Flussfischereien aus Brandenburg.