„Ich schwitze mehr“

WÜSTE In Halimas Heimat Äthiopien wird es wärmer. Und trockener. Letzter Teil der sonntaz-Serie „Klimakinder“

■  Das trockene Land: Die Erderwärmung hat großen Einfluss auf den weltweiten Niederschlag. In seinem Buch „Eine unbequeme Wahrheit“ zeigt der US-amerikanische Politiker Al Gore, dass in Nordamerika und Europa im letzten Jahrhundert 50 Prozent mehr Niederschlag fiel, in einigen Ländern Afrikas aber 50 Prozent weniger. Ohne den Regen trocknen die Flüsse aus und sterben die Pflanzen. Die Zahl der Kämpfe um Wasser und Land wird zunehmen, fürchten Wissenschaftler.

■  Die Serie: Die Autorin Natalie Righton und der Fotograf Ton Koene reisten in vier Erdteile. Sie wollten wissen, wie Kinder die Auswirkungen des Klimawandels erleben. Seit Oktober erschienen in der sonntaz die Folgen über Tepkatsie Suya aus dem Amazonasgebiet, Toei Teasi von der Pazifikinsel Tuvalu und den Inuk Jemery Ukuqtunnuaq vom Nordpol.

VON NATALIE RIGHTON (TEXT) UND TON KOENE (FOTOS)

Halima ist aufgefallen, dass es in der Wüste wärmer wird. „Ich schwitze mehr als früher“, sagt sie. „Ich schlafe nie mehr mit einer Decke. Und obwohl ich ja gar nicht mit den Tieren sprechen kann, weiß ich doch ganz sicher, dass auch sie unter der Hitze leiden. Sobald sie einen Busch sehen, rennen sie hin, um sich in seinem Schatten auszuruhen.“

Halima wurde vor zwölf Jahren in der Wüste geboren. Sie lebt in Äthiopien in der Region Afar, eine der heißesten Gegenden der Welt. Seit sie sieben ist, arbeitet sie als Ziegenhirtin. Zusammen mit Eltern und Brüdern zieht sie oft wochenlang durch die Wüste. „Wir machen das, weil es an keiner Stelle genug Wasser für unsere Tiere gibt, um zu überleben. Manche Leute sagen, wir sollten dann doch keine Tiere halten. Aber das ist nicht logisch“, sagt Halima. „Wir brauchen die Tiere, um selbst zu überleben. In der Wüste kann man nämlich nicht einfach den Wasserhahn aufdrehen, wenn man Durst hat. Wenn ich durstig bin, dann trinke ich die Milch von unseren Ziegen oder Kühen. Und wenn ich Hunger habe, dann schlachtet mein Vater ein Tier.“

Die Nomaden leben von den Tieren. Für sie ist es ein großes Problem, dass es immer weniger Wasser gibt. „Die Flüsse, zu denen ich früher mit den Tieren ging, sind oft ausgetrocknet“, sagt Halima, sie hat keine Ahnung, warum. „Allein Allah weiß die Antwort.“ Vor allem kränkliche Tiere gehen schneller ein als früher. „Wir nennen die Krankheit ‚Haleb‘. Das heißt, dass die Tiere vor Hitze eingehen. Letztes Jahr sind fünfzig Zicklein von uns an Haleb gestorben.“

Die Menschen in der Wüste kämpfen um Wasser und Weideflächen. Halimas großer Bruder Mohammed begleitet sie oft, wenn sie die Ziegen hüten geht, und nimmt ein Gewehr mit. Die Männer ihres Stammes führen Krieg mit anderen Wüstenbewohnern. „Manche unserer Jungen sterben in diesem Krieg“, sagt sie. „Im letzten Jahr waren es zehn.“

Auch Kamele sind begehrt, und so versucht jeder, sie sorgfältig zu schützen. „Wenn wir uns mit den Kamelen auf den Weg machen, laufen dreißig bewaffnete Jungen mit, um sie zu beschützen.“ Es gibt Schichten, nicht jeder Junge muss jeden Tag mit. Halima sagt, dass sie es immer unheimlich findet, wenn ihr Bruder und ihr Vater mit den Kamelen unterwegs sind. „Ich weiß, dass um die Tiere gekämpft wird, und das kann ganz schön gefährlich werden. Meine Mutter muss dann lachen, wenn ich so eine Angst habe. ‚So ist das Leben in der Wüste‘, sagt sie. ‚Aber es wird doch immer alles gut!‘“

Wenn sie die Wahl hätte, dann würde Halima gerne zur Schule gehen und Ärztin werden. Aber das geht nicht, hat ihr Vater entschieden. „Es gibt zwar eine Wüstenschule, auf die ich gehen könnte, aber ich könnte die Schule nie beenden“, sagt Halima. „Wenn wir mit dem Vieh weiter müssen, dann müssen wir eben weiter.“