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Archiv-Artikel

ZWISCHEN DEN RILLEN Ausschweifender Trip ins Herz der Finsternis

TheWeeknd „Trilogy“ (XO/Universal Republic)

Standbilder in Schwarzweiß, nebulöse Samples, zähflüssiger R & B-Sound: TheWeeknd inszeniert Gangsterromantik

Aus dem Nichts tauchte der junge kanadische Produzent TheWeeknd 2011 mit einer düster dramatischen Variante von Soul auf. Drei Alben veröffentlichte der mysteriöse Musiker auf seinem eigenen Label XO. Alle stellte er zum kostenlosen Download auf seine Webpage. Aus Hilflosigkeit, denn die Rechte an den von ihm benutzen Samples waren ungeklärt.

Doch damit startete Abel Tesfaye eine steile Karriere im Netz. Smart war der Onlineauftritt des 22-jährigen Kanadiers von Beginn an. Urplötzlich erschienen im Januar 2011 Videos auf YouTube. Keine aufwendig produzierten Clips, nur schwarz-weiße Standbilder, untermalt von einem so zähflüssigen, wie nebulösen R & B-Sound.

Schon im März 2011 veröffentlichte er auf seiner Internetseite das Debütalbum „House of Balloons“. Das Statement von TheWeeknd war simpel und ungewöhnlich: kein Hype um seine Person, kein Foto, stattdessen pure Musik. Und diese Musik ist ein dunkler, ausschweifender Trip durch Pop und R & B.

Mit tiefen Bässen, langsamen Rhythmen und verzerrten Gitarrenriffs formuliert TheWeeknd den verruchten Klang großstädtischer Einsamkeit, von Drogen und von Sex. Darüber liegt die bebende Soulstimme des Abel Tesfaye. Sie schwingt sich von einem klaren Hoch bis in ein raues, dämmriges Tief. „Bring me love, baby / I can bring you shame / Bring your body, baby / I can bring you fame“, singt er über einen chromatisch absteigenden Bass in „Wicked Game“, dem tiefblauen Hit des Debüts.

Auf TheWeeknds romantische Gangsterfinsternis reagierte die Musikkritik mit Lobeshymnen. The Guardian, Complex oder SPIN listeten sein Album jeweils unter den Top-Ten 2011.

Trotzdem blieb Abel Tesfaye medienscheu, gab keine Interviews. Dafür landete er einen weiteren Coup, als er vor Jahresende die Alben „Thursday“ und „Echoes of Silence“ zum Download bereitstellte. Alle drei Werke verfolgen das gleiche minimalistische Klangkonzept. „Thursday“ mit seinen Reggae- und Dubstep-Elementen ist der komplexeste Part der Trilogie. Seine düstere Sexyness schöpft TheWeeknd aus einer reduzierten Anordnung schwerer Beats, verzerrter Gitarrenriffs, verwaschener Keyboardmelodien und pointierter Kopfstimme.

Ein Stil, der gut ins Dramatische abdriften kann, das zeigt seine Coverversion von Michael Jacksons Hit „Dirty Diana“. Dabei überschreitet TheWeeknd schon mal die Schwelle zum Kitsch. Zu sehr spitzen sich die schmal dosierten Klänge dann auf eine schwül-dunkle Stimmung zu. Zu barock ist der Soulgesang, der plumpe Unsittlichkeiten wie „I am so bad / I wanna loose myself between your legs“ umschnörkelt.

Mittlerweile ist Abel Tesfaye aus dem Schatten der Anonymität herausgetreten. Seit März 2012 gibt er Konzerte, seine erste Tour durch die Staaten war im Nu ausverkauft. Es gehört zur Logik des Erfolgs, dass TheWeeknd im September einen Vertrag beim Majorlabel Universal unterzeichnete.

Seine drei Alben werden nun als „Trilogy“ erneut veröffentlicht. Statt kostenloser Downloads gibt es seine Songs neu gemastert und als Dreifachalbum im Schuber. Das Cover ist mit dem Konterfei des Sängers geschmückt.

„Ehrlichkeit und Reife“, so der Musikjournalist Oliver Keene im Magazin Time Out, beweise TheWeeknd mit „Trilogy“. Da ist was Wahres dran: Mit einem Major-Label im Rücken erhielt der kanadische Musiker von Künstlern wie Siouxsee and the Banshees, den Cocteau Twins oder Beach House nun endlich das D’accord, die verwendeten Samples von ihrer Musik auch für seine kommerzielle Zwecke zu nutzen. So haben alle was davon.

SOPHIE JUNG