Wolfgang Schäuble droht an jeder Ecke mit der Finanzaxt: Südeuropas Horrorclown
Zu Hause bei Fremden
von Miguel Szymanski
Letzte Woche ist es wieder passiert: Wo Sozialismus oder Sozialpolitik sich in Südeuropa auf die Straße trauen, taucht plötzlich Wolfgang Schäuble mit seiner Finanzaxt auf und überschlägt sich in Drohgebärden. Die linken Regierungen des Südens sollen das Fürchten lernen, wenn nicht so gespart wird, wie Herr Schäuble es will.
Den Sozialismus konnten Griechen und Spanier bereits knicken. Die Portugiesen haben es mit ihrer von den Linken und Kommunisten mitgetragenen sozialdemokratischen Regierung dennoch gewagt, auch wenn die PS formal als Minderheitsregierung agiert und erst im Parlament von den tatsächlich linken Kräften mitgetragen wird. Aber selbst das mag der deutsche Bundesfinanzminister nicht und geht mit aller Macht dagegen an. Vergangenen Mittwoch sagte er, wieder einmal, Portugal sei auf dem richtigen Weg gewesen, bis die linke Regierung kam.
Portugal strebt jetzt eine sozialere Politik an, als Berlin es für zulässig hält. Zum Beispiel versucht die Regierung in Lissabon mit einer neuen Steuer für Immobilienvermögen den Druck der Daumenschrauben im sozialen Bereich etwas zu lockern. Das ist für Berlin bereits zu viel des Guten. Wie die Fratze eines Horrorclowns taucht der deutsche Bundesfinanzminister auf und droht. Wieder einmal bastelt Schäuble am Schreckensszenario wegen der „Gefahren“ der Abkehr von seiner Sparpolitik.
Reaktionen auf das Verhalten des Bundesfinanzministers, der demokratische Regierungen wegen versuchter Sozialpolitik in die Enge und Existenznot treibt, gibt es in Deutschland kaum. Obwohl jeder Angriff Schäubles den Süden Millionen an zusätzlichen Zinsen kostet, denn die Märkte reagieren auf die Drohungen des mächtigsten Mannes des Euroraums. Erst als der Chef der portugiesischen PS Schäuble jetzt einen Brandstifter nannte und der portugiesische Regierungschef sagte, er höre nur auf Deutsche, „die Portugal tatsächlich kennen“, und sich in den sozialen Netzen das Gesicht des Bundesfinanzministers langsam in das eines grausamen Clowns verwandelt, der Menschen und Märkte so lange erschrickt, bis sich seine Prophezeiungen selbst verwirklichen, berichten die deutschen Medien, aber ganz en passant.
Nicht die üblichen Attacken Schäubles und der Schaden, den sie anrichten, sind Nachricht, sondern die ohnmächtigen Schreie seiner Opfer: Wer kläfft da und nennt den Bundesfinanzminister Brandstifter?
Als die abgewählte liberalkonservative Regierung an der Macht war, präsentierte Schäuble Portugal jahrelang als Musterschüler und an der Realität vorbei als Erfolgsfall.
Seit die linken Kräfte mitregieren, droht Schäuble nur noch: die Situation für Portugal könne „sehr gefährlich werden“, wenn die „Reformen“ gebremst werden (11. Februar 2016), Portugal mache „einen großen Fehler“, wenn das Land von der Sparpolitik abweiche (29. Juni 2016), oder jetzt ganz direkt: „Ich habe meinen portugiesischen Kollegen gewarnt“ (26. Oktober).
Wie es um das Demokratieverständnis Deutschlands steht, sieht man an diesen Angriffen Berlins gegen legitime Regierungen. Es ist kein Bekenntnis zur germanischen Sippenhaft, sondern die Perspektive eines Südeuropäers: die CDU und Schäuble machen den Süden herunter und basteln ein Lügenkonstrukt, sei es in der Finanzpolitik oder in der Fiktion.
Nicht zufällig – würde jeder Südeuropäer, den ich kenne, sagen – ist die CDU-nahe Programmchefin der ARD-Produktionszentrale Degeto, die das Bild des glücklichen Südeuropas prägt, die Tochter des Bundesfinanzministers. Kritische Beiträge über die verheerende Situation im Süden werden systematisch ausgeblendet. Aber nein, so etwas passiert doch nur bei den Südeuropäern, nicht im sauberen Berlin oder Frankfurt.
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