: Die Integrationsverweigerer
DIE BÖSEN Sie beißen seltenen Schildkröten den Kopf ab oder schleppen Würmer ein
BERLIN taz/dapd | Es geht um eine Minderheit: „Ein Großteil der gebietsfremden Arten ist vollkommen unproblematisch und integriert sich hervorragend“, sagt die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), Beate Jessel. Doch einige der neuen „Arten sehen auf den ersten Blick ganz putzig und wunderschön aus, bereiten aber Probleme“.
Ochsenfrosch
Zu ihnen gehört unter anderem der nordamerikanische Ochsenfrosch Rana catesbeiana. In Europa verbreitet er sich seit den 1980er Jahren. Seine Kaulquappen wurden damals oft in Gartenbauzentren verkauft, die ausgewachsenen Frösche blieben jedoch selten, wie geplant, zur Zierde im Gartenteich, sondern breiteten sich unter anderem in der Oberrheinebene aus. Der füllige Frosch – die Weibchen werden bis zu 20 Zentimeter lang – ist für heimische Amphibien ein ernsthafter Nahrungskonkurrent. Und ohne seine amerikanischen Fressfeinde wie Wasserschlangen kann er sich sehr schnell vermehren. Die einzige Möglichkeit, dies zu stoppen: die Frösche einzeln fangen.
Schwarzmund-Grundel
Einst laichte der bis zu 25 Zentimeter lange Brack- und Süßwasserfisch nur im Kaspischen und Schwarzen Meer. Seit einigen Jahren lebt die Grundel jedoch auch an der Ost- und Nordseeküste sowie in deutschen Flüssen. Ihre Vermehrung, die Nahrungskonkurrenz zu heimischen Fischen wie Mühlkoppe oder Streber und ihr Appetit auf Eier anderer Flussbewohner macht sie zu einem gefährlichen Neuling. Nach Deutschland gelangte sie im Ballastwasser von Containerschiffen. Hinzu kam die Verbindung von Nordsee und Schwarzem Meer durch den Rhein-Main-Donau-Kanal 1992. Eine Beseitigung der Grundel ist laut BfN nicht möglich, allerdings könnten etwa Ökosperren im Rhein-Main-Donau-Kanal eine weitere Ausbreitung verhindern.
Waschbär
In den Sagen Nordamerikas spielt er die Rolle, die hier der Fuchs hat: Er trickst und betrügt. Auch im echten Leben ist Procyon lotor ein Alleskönner. Er ernährt sich vielseitig und schläft, wenn er kein Baumloch findet, gern mal auf Dachböden. Kein Wunder, dass er sich nicht nur in Wäldern, sondern auch in Städten verbreitet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts brachten Pelzzüchter ihn aus Amerika aufs europäische Festland. In Deutschland, wo der Waschbär bis 1954 unter Schutz stand, leben heute über eine Million vor allem in Brandenburg und im mitteldeutschen Raum. „Der Waschbär gefährdet in Brandenburg die Sumpfschildkröten, stellt ihnen nach und beißt ihnen den Kopf ab. Dabei ist die Sumpfschildkröte eine gefährdete Art“, sagte die BfN-Präsidentin Jessel. „Man wird dem nicht mehr Herr. Der Waschbär ist da und er ist nicht mehr wegzukriegen.“ Jäger wie Naturschützer sind sich einig, dass der Bär Deutschland nicht mehr verlassen wird. „Wir müssen in Zukunft mit mehr Waschbären in der Stadt rechnen“, sagte der Leiter der BUND-Naturschutzabteilung, Magnus Wessel. Die Hochburg ist Kassel, mit bis zu fünfzig Tieren pro Quadratkilometer. Dem Deutschen Jagdschutzverband zufolge sind zwischen dem 1. April 2010 und dem 31. März des Folgejahres rund 67.700 Waschbären erlegt worden. Der von dem Kleinbären mitgebrachte Waschbärspulwurm kann auf den Menschen übertragen werden, Erkrankungen sind aber selten.
CÉDRIC KOCH, FRANZISKA SCHULTESS
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