: Anfassen statt angucken
Als Aufgabe von Museumspädagogen gilt die didaktische Vermittlung der ausgestellten Objekte. Lange hatte das den Beigeschmack von Belehrung und Erziehung. Heute geht es aber vor allem darum, einen Dialog mit dem Publikum zu führen
VON MARKUS WILD
Mit mehr als 200 Museen, Sammlungen und Archiven hat Berlin eine der bedeutendsten und vielfältigsten Museumslandschaften der Welt – von A wie Abgusssammlung antiker Plastik bis Z wie Zuckermuseum findet man nahezu alles, was Menschen in Vergangenheit und Gegenwart beschäftigt hat: Alltagskultur und hohe Kunst, Technik und Natur, fremde Kulturen und Kiezgeschichte. Damit die Besucher der Vielzahl der ausgestellten Objekte – ob Gemälde und Grafiken, Kupferstiche und Fotografien, Porzellan und Glas, Skulpturen, Möbel oder Maschinen – nicht allzu hilflos ausgeliefert sind, gibt es eine besondere Berufsgruppe: die Museumspädagogen.
Erlebnisse vermitteln, Beziehungen schaffen
Als ihre Aufgabe gilt gemeinhin die didaktische Vermittlung des Sammlungsgutes eines Museums, häufig in Form von bereitgestellten Textmaterialien oder durch Ausstellungsführungen. Doch während man mit „Pädagogik“ eher Begriffe wie „Erziehung“ und „Lehre“ verbindet, geht es den Museumspädagogen zunehmend darum, „Erlebnisse zu vermitteln“ und „Beziehungen zu schaffen“.
„Ich trete nicht als Expertin auf, die nur referiert“, sagt die Museumspädagogin Anna Döpfner vom Deutschen Technikmuseum in Berlin, „sondern der Besucher soll auch seine eigenen Erfahrungen mit einbringen können.“ Es gehe bei ihrer Tätigkeit weniger um Belehrung als vielmehr um Austausch.
Statt „Staunen mit den Augen“, dem alten Motto der Museumspädagogik, heißt es mittlerweile auch hierzulande immer häufiger: „Hands on“, anfassen und mitmachen, um durch eigene Erfahrung besser zu verstehen. Allerdings hat es laut Döpfner lange gebraucht, bis sich innovative didaktisch-pädagogische Konzepte aus dem angelsächsischen Raum in der deutschen Museumspädagogik durchgesetzt haben. „In den letzten 20 Jahren gab es gravierende Veränderungen, und der Bezug zum Publikum hat sich vollständig gewandelt – es geht nicht mehr darum, etwas vorzusetzen, sondern mit den Besuchern einen Dialog zu führen.“ Ein gelungenes Beispiel für eine solche Museumspraxis ist das dem Technikmuseum angegliederte Science Center „Spectrum“. Dort können die Besucher selbstständig 250 Experimente zu Wahrnehmung, Physik und Technik durchführen, um Erkenntnisse zu sammeln, Zusammenhänge zu begreifen – und dabei viel Spaß zu haben.
Wer nun selbst Museumspädagoge werden möchte, hat die Qual der Wahl. Bis heute gibt es keine verbindlich geregelte Ausbildung, und die Bezeichnung Museumspädagoge ist kein geschützter Beruf. Laut Hannelore Kunz-Ott vom Bundesverband für Museumspädagogik gibt es im Prinzip drei Einstiegswege: „Einmal als Lehrer, der sich für die Museumsarbeit qualifiziert hat, häufig durch ehrenamtliche Mitarbeit. Zum Zweiten als Wissenschaftler – ob Kunsthistoriker, Archäologe oder Biologe –, der feststellt, dass ihm die Vermittlungstätigkeit liegt. Und dann gibt es auch noch ‚natürliche‘ Pädagogen, das können Rentner ebenso sein wie Kindergärtnerinnen, die über entsprechende fachliche Qualifikationen verfügen.“
Pädagogisches wie fachliches Know-how
In der Praxis werden für eine Anstellung in der Regel aber sowohl pädagogische als auch fachliche Qualifikationen verlangt. So war es auch bei Anna Döpfner, die jahrelang als Lehrerin gearbeitet hatte. „Ich habe das gerne gemacht und war keinesfalls frustriert, aber ich wollte einfach noch mal studieren.“ Nach ihrem Abschluss als Ethnologin wurde sie Abteilungsleiterin Textiltechnik im Deutschen Technikmuseum. Zum Ende ihres Berufslebens wollte sie erneut ihren „Horizont erweitern“ – und stieg auf eine Stelle als Museumspädagogin um. Heute kümmert sie sich vorrangig um spezielle Angebote für Seh- und Hörbehinderte.
Döpfner hält die Tätigkeit der Museumspädagogen für ausgesprochen wichtig, zumal in einer Institution wie dem Technikmuseum, die in einem engen Zusammenhang mit der Erwerbswelt stehe. „Bildungsfragen haben in den Museen inzwischen zu Recht einen viel größeren Stellenwert als früher erhalten.“ Gerade hier könne man zielgruppenspezifische Angebote machen, die den Menschen dabei helfen können, sich zu qualifizieren. „Ohne lebenslanges Lernen kann heute keiner mehr in der Berufswelt überleben“, ist Döpfner überzeugt. Gleichzeitig sagt sie aber auch, dass die wachsende Bedeutung der Museumspädagogen nicht von allen Ausstellungsmachern gebührend berücksichtigt werde, was sich auch in ihrem Gehalt niederschlägt. „Meistens werden sie deutlich schlechter als die Fachabteilungsleiter bezahlt.“
Wenig Neueinstellungen angesichts leerer Kassen
Zwar sind die Gesamtbesucherzahlen der Berliner Museen in den letzten Jahren – im Gegensatz zum Bundestrend – stark gestiegen und ist eine verstärkte Besucherorientierung der Museen inzwischen in aller Munde, aber trotzdem kann man die Berufsaussichten für Museumspädagogen auch in der Hauptstadt kaum als hervorragend bezeichnen. Gerade die staatlichen Museen zu Berlin sind angesichts leerer öffentlicher Kassen verstärkt zu Budgetierung und Einsparungen gezwungen – Neueinstellungen sind deshalb selten finanzierbar. Das weiß auch Beate Mertens, die als Museumspädagogin für die Staatlichen Museen zu Berlin arbeitet: „Für die 16 Häuser arbeiten zwölf Festangestellte.“ Die Folge ist Mehrarbeit für die verbliebenen Festangestellten. Frei gewordene Stellen würden zum Teil nicht neu besetzt, und die Besucherführungen fast ausschließlich von freien Mitarbeitern, häufig Studenten, durchgeführt – im Fachjargon „Führungskräfte“ genannt.
„MuseumsJournal“ mit ungewisser Zukunft
Durch die Kürzungsvorgaben des Senats ist zudem auch die Zukunft des MuseumsJournals gefährdet, einer Zeitschrift des Museumspädagogischen Dienstes, die seit vielen Jahren ausführlich und umfassend über die Aktivitäten der Berliner Museen informiert. Sollte die für 2006 in Erwägung gezogene Einstellung des Blatts umgesetzt werden, „wäre dies ein Akt der Selbstzerstörung“, so Dietrich Wildung, Vorsitzender des Landesverbandes der Museen zu Berlin. „In keinem anderen Medium manifestiert sich die Funktion des Museumspädagogischen Dienstes als Koordinator inmitten der weiten, schwer überschaubaren Museums- und Ausstellungslandschaft Berlins eindrucksvoller.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen