Unverbremt: Männerbünde in Zeiten des Domplatten-Sexismus
Geht‘s um Eiswette, Schaffermahl oder Tabak-Collegium, lassen Unternehmer und Politiker jeglichen antidiskriminatorischen Geist zuhause
Winterzeit ist Hochzeit für Bremens Männerbünde. Dann rücken die Herren unter Lüstern im Rathaus zur Schaffermahlzeit zusammen oder zünden anlässlich der Eiswette Kerzen an und halten sich an den Händen. Wertvolle Kontakte entstehen da ganz von selbst.
„Eine Herrenveranstaltung mit schmutzigen Witzen“, sagte jüngst ein Bremer Unternehmer und Eiswettfunktionär über seinen Verein, als das Mikrofon ausgeschaltet war. Unter dem Vorwand der Traditionspflege betreiben die Mitglieder, die keine Frauen in ihren Reihen dulden, obendrein rassistisch konnotiertes Blackfacing und stoßen einen Schlachtruf aus, wie er bei Judenpogromen skandiert wurde (taz berichtete).
Bundestagspräsident Norbert Lammert (68, katholisch) kam zur letzten Eiswette trotzdem und hielt die Hauptrede. Auf Nachfrage, ob sein Auftritt in Zeiten von Domplatten-Sexismus angemessen sei, verlautbarte sein Sprecher: „Der Bundestagspräsident hat sich dazu nicht geäußert.“ Sein mannhaftes Abbürsten einer Presseanfrage präsentierte der zweithöchste Repräsentant des deutschen Staates dann allerdings als Aufwärmer seiner Rede und erntete wohlgefälliges Klatschen.
Konsequent frauenfrei ist die schlüpfrigste Bremer Männersause allerdings nicht. Bei Jubilarehrung und Aufnahmeritual für die „Novizen“ steht eine „Frau Weser“, gerne jung, blond und dekolletiert, zur Gratulation mit Körpereinsatz bereit. Bei Einführung dieses Programmpunktes im Jahr 1929 war man noch kompromissloser maskulin und ließ die Weser-Rolle von einem Mann in Frauenkleidern spielen.
Prickelnder ist es natürlich mit echter Frau, etwa wenn der Eiswettpräsident die Novizen ermahnt, zum Schwur ihren rechten Zeigefinger auf das Bügeleisen des Schneiders und keinesfalls auf das Herz von Frau Weser zu legen. Ein kulturwissenschaftlich gebildeter Eiswett-Gast fühlte sich vor einigen Jahren an Jungfrauenrituale in archaischen Männergesellschaften erinnert.
Das Bremer Tabak-Collegium inszeniert sich derweil klandestiner und wanzt sich mit preußisch inspirierten und selbst ausgedachten Ritualen an die beiden großen Vorbilder ran. Es wurde in bleierner Nachkriegszeit gegründet, als Adenauer Kanzler war und Rauchen noch keinen Lungenkrebs auslöste. Die lupenreine Männerrunde ohne wohltätige Ambitionen trifft sich drei Mal jährlich, davon zwei Mal auswärts, das Gestühl wird aus Bremen herangekarrt. Das Brimborium finanzieren Unternehmen wie Daimler, Siemens und Sparkasse Bremen, die gleichzeitig ganze Abteilungen für „Frauenförderung“ und „Diversity“ unterhalten.
Auch Politiker und Beamte, die dem antidiskriminatorischen Geist des Grundgesetzes verpflichtet sind, nehmen gern am Tabak-Collegium teil. Bleibt die Frage, ob all diese Herren genauso freudig zu einer Veranstaltung eilen würden, von der Menschen mit dunklerer Haut oder im Rollstuhl ausgeschlossen sind.
Weil aber an dieser Stelle konsequent positiv gedacht wird, soll hier ausdrücklich die Öffnung des Schaffermahls für weibliche Gäste lobend erwähnt werden. Mal schauen, ob die Herren am 12. Februar mehr als eine Handvoll Damen einladen – und wann es zum Äußersten kommt und sie die erste Schafferin küren. Gaby Mayr
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