: Das Ende – als Anfang
Apokalypse Bremes Performer Katrin Bretschneider, Martin Thamm und Doris Weinberger zeigen in der Schwankhalle „andnowshowsomeaction“ als Uraufführung
von Jens Fischer
Eben durchgestartet – jetzt schon Endzeit? Seit zwei Monaten versucht das neue Schwankhallen-Team mit Aufführungsformaten jenseits klassischer Dramatik und Tanztheaterästhetiken ein künstlerisches Profil zu erarbeiten. Und dann wird gleich ein gerade frischwärts zusammengefundenes Bremer Performancetrio geladen, das eine per Schriftbild unheimlich verdichtete, schwer entzifferbare „andnowshowsomeaction“-Produktion zur Aufführung bringen soll, die laut Werbetext „lustvoll den Weltuntergang heraufbeschwört“.
Auch wenn nicht mit Posaunen, sondern quietschend ironischem Blockflötenspiel zu den letzten Kämpfen geblasen wird: Ist das der Anfang vom Ende – oder das Ende am Anfang?
Schwankhallen-Leiterin Pirkko Husemann blickt entspannt auf ihren Bremen-Einstieg. Leider habe das namhaft besetzte Saison-Eröffnungsfestival noch vor Semesterbeginn stattgefunden – daher sei das anvisierte Kernpublikum noch gar nicht ansprechbar gewesen. Aber es wurde auf jeder Erstsemesterveranstaltung geworben, ergänzt Kommunikationsmanagerin Talea Schuré. Nicht gerade von vibrierender Neugierde sei man empfangen worden. Es dauere halt, bis die Neustädter angefixt, Viertelbewohner herbeigelockt, Studenten eingefangen seien – und „das Angebot richtig zieht“ (Husemann).
Ihr Konzept mache es sich da nicht einfach. Stilbildende Eigenproduktion gibt es nicht mehr, nur in Ausnahmefällen wird mal koproduziert, statt dessen ganzjährig ein Performancefestival kuratiert, bei dem jede Spielplanposition maximal dreimal gezeigt wird. Der Vielfalt zuliebe. Zehn Prozent der Aufführungen sollen internationale Gastspiele sein, 50 Prozent überregional gecastet werden und der Rest aus Bremen und umzu kommen.
Katrin Bretschneider (Regisseurin usw.), Martin Thamm (Performer usw.) und Doris Weinberger (bildende Künstlerin usw.) verantworten nun die 14. von Husemann ausgewählte Arbeit, haben das Geld dafür selbst organisiert und „Residence“-Privilegien genossen: Sie durften wochenlang die Probenräume der Schwankhalle nutzen. Nun die Uraufführung am Buntentorsteinweg.
Ungerührt kratzt eine Plattenspielernadel aus Vinylfurchen einen dieser Klassikkitsch-trifft-Elektro-Soundtracks. Die Performer stellen sich dazu als „Zeichen der Hoffnung“, „Frage an die Zukunft“ und „Ende der Welt“ vor, was weiter keine Bedeutung hat. Vielmehr startet ein eher privates Kennenlernfragen-Spiel. „Ist dir Liebe oder Geld wichtiger?“ „Ach, Liebe wird überschätzt.“ John Lennon oder Madonna? „Hmm, Madonna, kann ich besser zu tanzen.“
So freundlich sanftmütig geht es weiter. „Seid ihr bereit für das Ende?“ Aber eine Antwort interessiert nicht – und warum man das sein sollte, bleibt diffus. „Russen, Bankenkrise, neue Rechte“ werden in Stellung gebracht. Genauer ist die Plauderei nicht. „Wie lange geht das noch gut?“ Das ist daher eine ins Leere laufende Frage. „Warum wehrst du dich nicht“ ist gar keine Frage mehr – sondern eine fragwürdige Zustandsbeschreibung entspannten Akzeptierens. In der Hoffnung, dass mal ordentlich aufgeräumt wird. Gilt Apokalypse doch als Spektakel, das Engel, Dämonen, Schurken und gottesfürchtiges Volk vor Gericht zerrt – bis sich alles in ewiger Glückseligkeit der Guten auflöst.
In der Schwankhalle werden ein paar Blinkestäbe in die Szenerie gerollt und in Nebel gehüllt. Die Performer verstecken sich hinter Masken oder Schutzbrillen und fantasieren im fortgesetzten WG-Küchentisch-Sound den Untergang Bremens zusammen. Der Bürgerpark: ein Totenfeld. Es regnet Schutzbekleidung vom Himmel, der von einer Armada Hubschrauber verdunkelt wird. An der Domsheide beginnt das ewige Schlachten. Wo eben noch Dobben war, gähnt nun ein großes Loch. Verbrannte Arme garnieren die letzten Bäume. Eisschollen treiben auf der Weser.
Das Trio schaudert nicht vor all den Schrecken, die sie da verkünden, alle schwelgen beiläufig darin, hüpfen dazu, tänzeln und singen „We shall overcome“. Daheim würde jetzt noch eine Flasche Rotwein geöffnet, hier das anwesende Publikum als Partner der Aufführung weiterhin ignoriert. Und zu Ende fabuliert. Abschiednehmen. Nur es fehlt die Not, um letzte Worte zu ringen. Von den evozierten Bildern überwältigt zu werden. Und der karnevaleske Ausstattungsklimbin stört genauso wie die pathetisierend zugespielte Popmusik.
Deutlich aber werden Muster endzeitlicher Erwartungen. Dass Apokalypsen weder nur Angst- oder nur Hoffnungs-, sondern auch Suchtmacher sind: nämlich den Wunsch nach Erlösung stiften und ihre Erfüllung ins Zukünftige delegieren. Sie taugen für einen Kuschelabend daheim. Für eine kunterbunt unterhaltende Performance in der Schwankhalle. Ausverkauft. Jubel. Das Ende so fern.
„andnowshowsomeaction“ ist noch heute (Samstag), 14. November, 20 Uhr, in der Schwankhalle zu sehen.
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