Berliner Szene: Im Motorradwerk
Kim Wilde in der Fabrik
Mit Kollegen war ich mal ein Motorrad-Werk in Spandau besichtigen. Ich interessiere mich nicht für Motorräder und Autos. Suzuki, Honda, BMW, Golf, Twingo – keine Ahnung, kann ich alles nicht unterscheiden. Aber ich hatte nun mal diese Möglichkeit, so eine Fabrikvon innen zu sehen. Ich war zu früh da und stand eine Weile an dieser autobahnähnlichen Straße, es nieselte, und beim Fabrikeingang standen Glaskästen, in denen Motorräder ausgestellt waren, die aussahen wie kleine Raumschiffe. Es war ein bisschen surreal, und ich fragte mich, was will ich hier.
Aber dann kamen die anderen, man führte uns über das Werksgelände und es wurde interessanter, als ich erwartet hatte. Dort floss ein Kanal, jemand glaubte, das sei ein Fluss namens Flume. Ich war baff, von so einem Fluss in Berlin hatte ich nie gehört, ich vermutete, das sei ein Missverständnis.
Jetzt denken Sie vielleicht, der war in einer Motorrad-Fabrik und was ihm auffällt, ist so’n Wasserlauf. Und Sie haben vermutlich recht, das Technische interessiert mich weniger. Es gab in der Fabrik eine Art Windkanal, da saß ein Mann auf einem Motorrad. Das Motorrad fuhr, blieb aber an der Stelle stehen, vielleicht war darunter eine Art Fließband. Worauf ich guckte, war, wie die Hosenbeine des Mannes über den Schuhen flatterten. Wir gingen durch eine Montagehalle, an der ArbeiterInnen schraubten und hantierten. Und dabei Musik hörten. Es lief „Kids in America“ von Kim Wilde und „Run to you“ von Bryan Adams. Eine Kollegin von mir stellte die Frage, die mir auch durch den Kopf geschossen war: Wer wählt die Musik aus? Ein Mitarbeiter sagte, das werde demokratisch entschieden. Ich fragte mich, ob Chopin jemals eine Chance hätte. Aber was soll’s, ich fand’s schön, mal wieder „Kids in America“ und „Run to you“ zu hören.
Giuseppe Pitronaci
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