„Heil“, die Nazi-Komödie: Manche mögen’s leicht
Dietrich Brüggemanns Spielfim „Heil“ ist wie das quengelnde Kind, dem die ernsten Gespräche der Erwachsenen zu langweilig sind.
Dieser Film hat viele Freunde: Wer Listen schätzt und Leute kennt, sollte am Schluss von „Heil“ sitzen bleiben und den Abspann studieren. Denn der Subwitz der „114 Sprechrollen“, mit denen das Presseheft Dietrich Brüggemanns neuen Film bewirbt, besteht darin, dass ein Gutteil davon mit Leuten besetzt ist, deren Namen man kennen kann: Heinz Rudolf Kunze (Musiker). Andreas Dresen (Regisseur). Heike-Melba Fendel (Agentin). Gisbert zu Knyphausen (Musiker). Oliver Gehrs (Journalist). Thees Ullmann (Musiker). Matthias Elwardt (Kinobetreiber). Alfred Holighaus (Filmwirtschaftslobbyist). Dietrich Kuhlbrodt (Staatsanwalt, Schlingensief-Performer).
Brüggemanns Film ist eine – einfach gesagt – Nazi-Komödie. Die fängt so munter an, dass man glauben könnte, es gehe dem Film um den Überdruss an den Hitler-Bildern, wie sie das Zeitgeschichtskino so gern ausstattet: ein Insert, das „Deutschland 1945“ sagt; drei schnell geschnittene Wochenschaubilder (eine Kanone, Hitler tätschelt Hitlerjungen, totale Zerstörung); ein Insert, das „70 Jahre später“ sagt, ein Skinhead (Jakob Matschenz), der deppert-langsam etwas an die Wand sprüht. Das Tempo des Schnitts macht den Lacher.
Es geht also um Witze über Nazis. Ein afrodeutscher Erfolgsautor (Jerry Hoffmann) kriegt einen Schlag auf den Kopf und plappert fortan alles nach, etwa die Parolen der Nazis (die, wie in einer Zeitmaschine gefangen, Springerstiefelglatzen aus den neunziger Jahren sind) aus dem fiktiven brandenburgischen Städtchen Prittwitz, in deren Hände er gefallen ist.
Der Chef der Nazis (Benno Führmann) will einer Nazibraut (Anna Brüggemann) gefallen, die von ihm als Mitgift fordert, in Polen einzumarschieren. Es geht in „Heil“ aber auch um das Drumherum der Nazis, und so haben Politiker, Altnazis, Linke, Journalisten, Verfassungsschutzleute, Fernsehredakteure, Theaterregisseure und Polizisten ihren Auftritt.
Eigentlich nie witzig
Das scheint komplex, und seine besten Witze macht der Film auch in diesem Umfeld: Wenn der Verfassungsschutzmann büroversonnen über Urlaubserfahrungen telefoniert mit einer Kollegin, während seine Klientel gen Polen strebt. Wenn der Fernsehredakteur, der sich ewig nicht mehr aus seiner Festanstellung nach „draußen“ begeben hat, dem freien Reporter gelangweilt-zynisch das Material schlecht redet. Wenn die „Günther Jauch“-Talkshowformation als extended version parodiert wird ( „Auf die 12“), in der tatsächlich gleich ein Dutzend Gäste auf seinen Statements beharren will.
In dieser Runde sitzt auch eine Regisseursfigur namens Dietrich Brüggemann (gespielt vom Regisseur Tom Lass), der prophylaktisch die Frage gestellt wird, die „Heil“ als Problem auf sich zukommen sieht: „Darf man über Nazis Witze machen?“ Die Antwort: „Ja, aber das Lachen muss im Halse stecken bleiben.“ Und wem das zu ironisch ist, der kriegt noch den selbstbezüglichen Satz hinterher: „Ich finde deutsche Filme eigentlich nie witzig.“
„Heil“, Regie: Dietrich Brüggemann. Mit Benno Fürmann, Jerry Hoffmann u. a., Deutschland 2015, 104 Min.
Derart imprägniert sich der Film gegen eine Kritik, die nur ihre Humorlosigkeit beweisen kann, wenn sie ihm vorwirft, er nehme nichts ernst. Genau, grinst „Heil“ dann, ich mach mich über alles lustig, sogar über mich selbst. Diskursiv tritt Brüggemann mit seinem Rundumschlag gegen alle möglichen medialen Sprecherpositionen scheinbar die Flucht nach vorn an, tatsächlich ist das eine Bewegung aus der Defensive. Denn relevant ist nicht die Frage, ob man über Nazis Witze machen darf, sondern wozu.
Und darauf hat der Film keine Antwort. Er ist das quengelnde Kind, dem die ernsten Gespräche der Erwachsenen zu langweilig sind, weil es lieber spielen möchte. Das zeigt sich schon im Vorspann, der die Titelcredits zu dynamischer Musik und einem entsprechenden Nachrichtenbilderpotpourri in alle möglichen Schriften deutscher Nachkriegsgeschichte montiert: Da wird also ein Schauspieler im ikonischen Stil des RAF-Bilds vom entführten Arbeitergeberpräsidenten Schleyer annonciert. Grafisch betrachtet eine Mordsgaudi, bildpolitisch völlig hohl.
Ein Spiel mit Befindlichkeiten
„Heil“ ist in diesem Sinne höchstens halbsmart. Alles, was der Film durch Tempo, Gags und Überschuss reinholt, geht ihm an Reflexionskraft ab. Intellektuell siedelt er auf dem Niveau seines Rausschmeißersongs „Splitter von Granaten“, in dem Adam Angst unspezifisch-indifferenziert Unbehagen ausdrückt (“Doch worum es gerade geht, wissen wir selbst nicht so genau“). Brüggemann will wirklich nur spielen, mit „deutschen Befindlichkeiten“ etwa, was für Nazis, die Menschen umbringen, aber eine, vorsichtig gesagt, ulkige Kategorie ist.
In einer Kritik für das inzwischen eingestellte Magazin Schnitt lobte der Regisseur als Kritiker 2006 an Armin Völckers Kurzfilm „Leroy räumt auf“, der von ähnlich grobkomödialer Gegensätzlichkeit lebte wie „Heil“ (afrodeutscher Teenager verliebt sich in Frau mit Nazi-Brüdern), „die Nonchalance, mit der er dem sonst oft tonnenschweren Deutsche-Skins-Ausländer-Thema einfach eine lange Nase dreht“.
Manche mögen’s leicht. Sosehr man sich an institutionalisierter Erinnerungsroutine stoßen kann – der Wunsch, dass es mit dem Thema „Nazis –Ausländer“ auch mal locker vom Hocker gehen könnte, ist auf seine Weise naiv. Deutlicher gesprochen: die Nachgeborenenversion des Schlussstrichwunschs. Man muss sich „Heil“ deshalb als Verfilmung einer mittelmäßigen Facebook-Debatte vorstellen: Alle möglichen politischen Positionen verwandeln sich in lustiges Geplapper, die vielen Promi-Freunde liken und ratzfatz ist man da, worüber sich der Anfang noch lustig machen wollte – bei Hitler.
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