Das Blauer-Himmel-über Peking-Projekt

400.000 Chinesen pro Jahr sterben an schlechter Luft. Auf der Konferenz „renewables“ verspricht die Regierung nun einen Ökostromanteil von 15 Prozent im Jahr 2020. Minister Trittin ist zufrieden – auch wenn der Atomstrom kräftig ausgebaut wird

AUS PEKING GEORG BLUME
UND JOHANN VOLLMER

Deutsche Ideen gehen um die Welt. Daran wollte Jürgen Trittin gestern in Peking noch einmal glauben: „Deutschland hat den Auftakt gemacht, China den Staffelstab übernommen“, ermunterte der deutsche Umweltminister 1.200 Teilnehmer aus 100 Länder der Konferenz für erneuerbare Energien. Die Tagung ist eine Folgekonferenz des ersten Gipfeltreffens für erneuerbare Energien in Johannesburg 2002 und der „renewables 2004“ vergangenes Jahr in Bonn. Die Pekinger „renewables“-Konferenz wird zu einem großen Teil aus Mitteln des Bundes finanziert und soll laut Trittin beweisen: „Global sind die erneuerbaren Energien auf dem Vormarsch.“

In Bonn versprachen die Teilnehmer letztes Jahr Investitionen in erneuerbare Energien in Höhe von rund 320 Milliarden US-Dollar. Diesmal heißt es in der „Pekingerklärung“ der Konferenz: „Wir müssen dringend und deutlich den Anteil von erneuerbaren Energien erhöhen.“ Konkretere Pläne gab gestern nur China bekannt: einen regenerativen Strom-Anteil von 15 Prozent im Jahr 2020. Vor einem Jahr versprachen sie einen 10-Prozent-Anteil bis 2010. Damit gibt sich die chinesische Regierung etwas mehr Zeit, wobei sie das Ziel langfristig erhöht. „China setzt massiv auf erneuerbare Energien“, begrüßte der Sprecher des Bundesumweltministers, Michael Schoeren, den chinesischen Plan. Der Ausbau erneuerbarer Energien werde gegenüber dem Ausbau der Atomkraft prioritär behandelt.

Neben Großprojekten wie dem Drei-Schluchten-Staudamm setzt China besonders auf Windenergie. Laut Aussage des chinesischen Verbandes für erneuerbare Energien könnte China seinen Plan, bis 2020 allein 20 Gigawatt aus Windenergie zu erzeugen, sogar auf 40 Gigawatt verdoppeln. Damit würde China der weltweit größte Erzeuger von Windstrom – vor Deutschland. Zugleich baut China die Atomkraft aus, um die derzeitige Atomstromkapazität von 8,7 Gigawatt bis zum Jahre 2020 auf 40 Gigawatt zu steigern.

Experten betonen, dass China anders als die großen Industrienationen keine historische Verantwortung für den Treibhauseffekt trage. Heute aber habe sich die Situation verändert. Zwar liege China beim Pro-Kopf-Ausstoß von Kohlendioxid mit 2 Tonnen – verglichen mit 11 Tonnen pro EU-Einwohner – weit zurück. Absolut gesehen sei China aber bereits das Land mit dem zweitgrößten Treibhausgas-Ausstoß.

Chinas Umdenken erklärt sich vor allem innenpolitisch. Peking wurde jüngst vom britischen Guardian zur Hauptstadt der Luftverschmutzung gekürt. Sechs von weltweit zehn Städten mit der größten Luftverschmutzung befinden sich im Reich der Mitte. Die chinesische Akademie für Umweltplanung spricht von über 400.000 Toten jährlich, die landesweit wegen schlechter Luft sterben. Auch ist der blaue Himmel über Peking ein Prestigeprojekt mit Blick auf die Olympischen Spiele 2008.

Sinn der Konferenz in Peking war es aus deutscher Sicht, das Thema erneuerbare Energien in eine Boomregion wie China zu tragen. Zahlreiche deutsche Energieunternehmen erhoffen sich Aufträge. Bei Umsetzung aller in Bonn und Peking geplanten Aktionen erhofft sich Umweltminister Trittin einen Rückgang des weltweiten CO2-Ausstoßes bis 2015 um 5 Prozent.