Spider-Man: Superheld, austherapiert
Spidey strebt nach einer Festanstellung und plant die Heirat: In Sam Raimis "Spider-Man 3" leben die 50er-Jahre auf.
W as bisher geschah: In "Spider-Man 1" wird der einzelgängerische Nerd Peter Parker (Tobey Maguire) von einer mutierten Spinne gebissen. Wenig später entdeckt er, dass er sich in rasender Geschwindigkeit an selbst geworfenen Fäden durch die Häuserschluchten von Manhattan hangeln kann. Gut erzogen, wie er ist, entscheidet er sich schnell dafür, seine Superbegabung in den Dienst der Menschheit beziehungsweise der bedrohten und bedrängten Einwohner Manhattans zu stellen.
In "Spider-Man 2" erweist sich diese Aufgabe als schwere Bürde. Peter Parker scheitert fast daran, seine zwei Identitäten miteinander in Einklang zu bringen. Er stellt den seltenen Fall eines Superhelden in Seelennot dar. Denn um seine große Liebe, Mary Jane, nicht zu gefährden, verheimlicht er seine Gefühle für sie; der Zwang, sich neben der anstrengenden Superhelden-Tätigkeit noch als Pizzalieferant den Lebensunterhalt verdienen zu müssen, bringt ihn an den Rand eines physischen Zusammenbruchs, und zu allem Überfluss versagen ihm ob all der Sorgen auch noch die Superheldenkräfte.
Aber all das ist nun Vergangenheit. "Spider-Man 3" zeigt uns den austherapierten Superhelden: Er erscheint pünktlich, wenn er gerufen wird, und lässt sich vom Bürgermeister für seine Verdienste auszeichnen. Als Privatmensch bemüht er sich um eine Festanstellung bei der Zeitung, gefällt sich als allseits beliebter Kommilitone an der Uni und plant mit verträumten Augen den romantischen Heiratsantrag an Mary Jane. Das ist die erste Enttäuschung: "Spider- Man 3" scheint imaginär zurückversetzt in die brave Bürgerwelt des 50er-Jahre-Amerikas, und dementsprechend viel Raum bekommen die Ratschläge, die Tante May ihrem Neffen über den richtigen Zeitpunkt der Eheschließung erteilt.
Auch die neu auftauchenden Bösewichter wirken wie den paranoiden Katastrophenfilmen jener Zeit entsprungen: Zum einen ist da Flint Marko (Thomas Haden Church), ein Mörder und Bankräuber, den es auf der Flucht in ein harmlos scheinendes Sandsilo verschlägt, von dem sich dann herausstellt, dass irgendwelche verrückten Wissenschaftler hier ihre Experimente anstellen. Er wird zu Sand verarbeitet, kann sich aber mit purer Willenskraft anschließend wieder in seine ursprüngliche Gestalt zusammenrieseln, witzigerweise komplett mit Jeans und T-Shirt. Als visuell ungeheuer unterhaltsamer "Sandmann" treibt er daraufhin sein ewig rieselndes Unwesen im Film. Zum anderen ist da die geheimnisvolle schwarze Klebmasse, die nach einem Meteoriteneinschlag auf die Erde kommt und Spider-Man höchstpersönlich zu Leibe rückt. Sie bewirkt, was beim gelassen grinsenden Peter Parker kaum mehr möglich schien: Sie bringt Konflikt in die Figur. Spider-Man wird überheblich, aggressiv und eitel.
Dass es für diesen psychischen Einbruch in Spideys Erfolgsstory eines Stoffes aus dem All bedarf, ist die zweite Enttäuschung und scheint außerdem so überflüssig wie symptomatisch. Man merkt, dass im Grunde mit "Spider-Man 2" die Geschichte Peter Parkers auserzählt war. Einzig offen geblieben war die Frage, auf welche Weise Peters ehemals bester Freund, Harry Osborn (James Franco), mit seiner Rache an ihm scheitern würde. Und hier liegt die dritte Enttäuschung, die der Film bereitet: Harry, der als romantisch-düsterer Prinz den perfekten Gegenpart zum Sauberhelden Peter abgibt, wird durch miese Handlungstricks erst einmal außer Gefecht gesetzt. Dabei stiehlt er in den wenigen Minuten, die ihn das Drehbuch ungeheuer cool auf einer Art Skateboard durch die Lüfte sausen lässt, allen anderen Bösewichtern und sogar Spidey selbst die Schau. Unter den ganzen 50er-Jahre-Figuren ragt er als launischer, nicht zu befriedender Rebell der Moderne heraus.
"Spider-Man 3". Regie: Sam Raimi. Mit Tobey Maguire, Kirsten Dunst, Thomas Haden Church, James Franco u. a. USA 2007, 156 Min.
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