Tony Blair: "Wie Bestien im Rudel"

Böse Journalisten: Kurz vor seinem Abtritt greift der britische Premier Tony Blair die Medien und speziell den "Independent" an.

Grrrrrrooooooowwww! So geht Rethorik : reuters

Wenn Gerhard Schröder wirklich der Medienkanzler gewesen sein sollte, fällt - wie bei so vielem - auch hier der Vergleich mit Tony Blair zugunsten des scheidenden britischen Premierministers aus. Blair und seine Truppe aus Sprechern und Presseberatern waren die Meister des "Spin", der manipulierten Medienbeschwörung. Erst zum Schluss geriet die für eine westliche Demokratie beinahe schon gespenstische Präzision der Spin Doctors aus dem Leim; befeuert durch die Treue Blairs zum Krieg im Irak und dessen obersten Feldherrn George W. Bush sowie seine Hinhaltetaktik in Sachen Rücktrittsdatum.

Nun ist Tony Blair in zwei Wochen Geschichte - und hat vorher den Medien noch mal die Meinung gesagt: Diese jagten "wie wilde Bestien im Rudel" und rissen "Menschen und deren Ruf in Stücke" - aus Angst, "etwas zu verpassen". Ein großer Teil der Arbeit in öffentlichen Ämtern bestehe heute schlicht darin, "der Medien Herr zu werden, mit ihrer schieren Größe, ihrem Einfluss und ihrer Hyperaktivität klarzukommen". In den zehn Jahren seiner Amtszeit als Premier hätten sich Presse wie Fernsehen klar zum Schlechteren entwickelt, sagte Blair, der immerhin zugab, es am Anfang seiner Amtszeit mit dem Spin auch selbst übertrieben zu haben.

Es war eine seiner letzten großen Reden als Regierungschef, der Ort - das Hauptquartier der ehrwürdigen Nachrichtenagentur Reuters - präzise gewählt. Und einen Gegner griff Blair ganz direkt an: Den Independent, der von Anfang an klar gegen den pro-amerikanischen Kurs der Blair-Regierungen und später den Irakkrieg angeschrieben hat. Die fortschreitende Vermischung von Nachricht und Kommentar geißelte Blair ganz allgemein als Sündenfall des Journalismus, Symbol für diesen "modernen Journalismus" aber sei der Independent, der sich selber als "Viewspaper" und nicht mehr als "Newspaper" verstehe.

Das war gut gebrüllt vom Löwen Blair, dessen geschmierte Medienmaschine in glücklicheren Tagen im Rahmen der Kelly-Affäre die BBC-Spitze samt Director General und Chairman in die Wüste schickte, obwohl es auch dort um legitime Zweifel an der Irakpolitik der Regierung ging. Kühn erscheint auch die Forderung Blairs, über neue Formen der Medienregulierung nachzudenken, die die "akkurate Berichterstattung" fördern soll, aber großzügigerweise den Zeitungen immerhin nicht die gleiche Ausgewogenheit verordnen will, die in Großbritannien für TV und Radio gilt.

Blairs Fazit bleibt düster: "Die Beziehung von öffentlichem Leben und den Medien" sei in Großbritannien derart beschädigt, dass das Land "den Glauben an sich selbst" verliere - und "eine Reparatur daher unvermeidlich" sei. Er habe diese Rede erst nach manchem Zweifeln gehalten, sagte Blair zum Schluss: "Ich weiß, dass sie in bestimmten Kreisen als Müll bezeichnet werden wird. Aber ich weiß auch, dass dies mal gesagt werden musste."

Und noch jemand hatte an diesem denkwürdigen Tag etwas zu sagen: Der Chefredakteur des Independent, Simon Kelner. Für ihn war Blairs Kommentar eine Bestätigung der Antikriegshaltung des Blattes - und daher so was wie ein Orden für den Independent: "Er lag falsch, wir hatten recht."

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