Kommentar: Kita kommt vor Bafög

Mag auch die Zahl der Bafög-Empfänger zurückgehen: Wer mehr Hochschul-AbsolventInnen will, muss in Kitas, Gemeinschafts- und Ganztagsschulen investieren.

Manchmal können Notlügen ein gutes Zeichen sein: Wer einen Missstand schönredet, der hat ihn immerhin als solchen erkannt. So geht es neuerdings konservativen Bildungspolitikern, die jahrzehntelang über eine vermeintliche "Studentenschwemme" klagten und mehr "Auslese" an Deutschlands Bildungsanstalten forderten. Jetzt, wo die Zahl der Bafög-Empfänger zum ersten Mal seit sieben Jahren zurückgeht, freut sich die CDU über die "weiterhin konstanten" Zahlen und lobt den großkoalitionären Beschluss, vom Herbst nächsten Jahres an endlich wieder mehr Geld für die Studienförderung auszugeben. Das ist immerhin ein Lerneffekt. Nach dem Pisa-Schock und erregten Debatten über den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften mag keiner mehr am Bafög sparen.

Das Problem ist nur: Die Bafög-Erhöhung alleine, selbst wenn sie schneller käme und höher ausfiele, wird am deutschen Bildungsdefizit nicht viel ändern. Ausgerechnet in einer Situation, in der sehr viel mehr Studenten als bisher an die Hochschulen strömen müssten, stehen gleich mehrere Signale an den Uni-Pforten auf Rot. Nicht nur das schmale Bafög schreckt Schulabgänger von einem Studium ab, sondern auch Studiengebühren und zwar gut gemeinte, oft aber chaotisch organisierte neue Bachelor- und Master-Studiengänge.

Entgegen landläufiger Vorurteile verunsichert das alles aber vor allem den Nachwuchs aus dem Bildungsbürgertum, der auch entsprechend eifrig gegen Studiengebühren protestiert. Für junge Leute aus bildungsfernen Schichten sind das eher Luxusprobleme - weil sie die Hochschulen mangels Abitur gar nicht besuchen können. Die Hauptursache dafür, dass Akademikerkinder nach der jüngsten Sozialerhebung des Studentenwerks viermal häufiger studieren als ihre Altersgenossen aus bildungsfernen Schichten, liegt nicht an der Uni, sondern an der Schule. Wer das inzwischen auch von der CDU akzeptierte Ziel erreichen will, die Quote der Uni-Absolventen zu steigern, der muss zunächst in Kitas, Gemeinschafts- und Ganztagsschulen investieren. Das Bafög ist dann nur der letzte Schritt.

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