Tour de France: Verkaufsförderin für Güter aller Art

Die Tour de France kämpft um die Sponsoren. Vor allem einzelne Teams müssen den Verlust ihres Geldgebers befürchten und hoffen auf "vergnügungssüchtigen" Ersatz

Ohne Sponsoren geht's nur bergab Bild: dpa

TIGNES taz Die Tour de France wurde 1903 als Werbegag ins Leben gerufen. Die Zeitung LAuto wollte mit dem Event ihre Pariser Konkurrenz Velo ausstechen. An der Natur der Veranstaltung als Verkaufsförderin für Güter aller Art hat sich bis heute nichts geändert - was schon an der Werbekarawane zu erkennen ist, jenem Karnevalszug, der vor dem Fahrerfeld her durch Frankreich tingelt und die jubelnden Millionen mit Produktproben der Sponsorfirmen bewirft. Gleich, wie oft Tour-Direktor Christian Prudhomme betont, dass die Tour ein Abenteuer ist, das harte ökonomische Fundament des Spektakels, das alleine in seiner Attraktivität für die werbenden Industrie besteht, vermag er nicht zu leugnen.

Voltaren: Ohne Voltaren und das vergleichbare Mittel Ibuprofen wäre die Tour de France nicht möglich. Die beiden Schmerzmittel, die auch antientzündlich wirken, sind das universale Schmiermittel der großen Schleife. Sie stehen nicht auf der Dopingliste, dürfen also ungestraft in hohen Dosen geschluckt werden. Wenn die Knorpelschäden der Knie mörderische Schmerzen verursachen, die Ellbogen von den Stürzen ramponiert sind, kurz: wenn der ganze Körper rebelliert, dann wird Voltaren in Höchstdosierungen von bis zu 200 Milligramm täglich verputzt. Dass viele Fahrer nach spektakulären Bauchlandungen weiterfahren, ist nur mit eisernem Willen und reichlich Voltaren möglich.

Obacht: Voltaren schlägt auf den Magen, der bei den Radprofis ohnehin gequält wird: Sie trinken riesige Mengen, essen hektisch auf dem Rad und verdrücken abends Elefantenportionen Spaghetti. Der Voltaren-Wirkstoff Diclophenac ist schwer abbaubar, passiert Kläranlagen und richtet bei Tieren schwere Schäden an.

Ausrede des Tages: "Das sind Medikamente für meine kranke Mutter", so Frau Rumsas, Gattin des Radprofis Raimondo, als sie 2002 in ihrem Auto mit einer Kiste Dopingmitteln erwischt wurde.

GESAMTWERTUNG

Nach der 8. Etappe von Le Grand-Bornand nach Tignes (165 km): 172. und Letzter: Wim Vansevenant (Belgien) 1:17:14 Stunden; 171. und Vorletzter: David Zabriskie (USA) 1:14:40; 170. Aliaksandr Kuschynski (Weißrussland) 1.14:14; 169. Leif Hoste (Belgien) 1:13:46; 168. Anthony Charteau (Frankreich) 1:13:37; 167. Stéphane Augé (Frankreich) 1:13:19; 166. Thor Hushovd (Norwegen) 1:11:35; 165. Bram De Groot (NL) 1:11:25; 164. Alberto Ongarato (Italien) 1:10:59; 163. Sébastien Hinault (Frankreich) 1:10:25

Dieses Fundament bleibt - flächendeckendes Doping hin oder her - bislang solide. Rund 130 Millionen Euro setzt die Tour um, an TV Rechten, an Geldern ihrer 30 offiziellen Werbepartner sowie an den bis zu 200.000 Euro teuren Gebühren, die die 20 Etappenorte dafür berappen, in den Streckenplan aufgenommen zu werden. Sicher, die Förderer haben sich nach dem PR-Debakel im vergangenen Jahr "besorgt" gezeigt, wie Laurent Lachaux, Marketingdirektor der Tour-Veranstalterfirma Amaury Sports, berichtet. Abgesprungen ist bislang jedoch noch keiner.

Das liegt gewiss auch daran, dass die Tour für Sponsoren noch immer ein prima Geschäft ist. Die "Partner" der Tour, jene Kategorie von Sponsoren, die zwischen zwei und drei Millionen Euro zur Rundfahrt beitragen, bekommen für ihr Geld 3.000 Stunden TV-Übertragung in 185 Länder geboten. So billig ist in kaum einem anderen Sport eine derartig weite Verbreitung des Markennamens zu erzielen.

Der Werbewert des Rennens steht und fällt freilich mit dem Zuschauerinteresse. Aber auch in dieser Hinsicht muss sich die Tour de France keine Sorgen machen. In der ersten Tour-Woche waren an den Straßen ebenso viele Camper geparkt wie eh und je, die Einschaltquoten in Frankreich waren sogar höher als im Vorjahr. Zum Tour-Start in London kamen eine Million Menschen. Die Kölner Beratungsfirma Sport und Markt hat in Erhebungen ermittelt, dass die Fans noch lange nicht so weit sind, ihrem geliebten Radsport abzuschwören. "Die Fans personalisieren das Dopingproblem sehr stark", erläutert Stephan Schroeder, Geschäftsführer von Sport und Markt. "Sie sind vielleicht von Jan Ullrich enttäuscht." Den Sport als Ganzen sehen sie jedoch noch immer nicht als so problematisch an, dass sie sich abwenden.

Schwieriger als die Situation der Rennveranstalter ist da schon die der Mannschaften. Ein Dopingfall in der Mannschaft fällt direkt auf den Sponsor zurück, das Risiko ist groß, die Geldgeber halten derzeit die Luft an. Unter den 20 Profiteams stehen 12 Hauptsponsorverträge im kommenden Jahr zur Disposition: Auf ein längerfristiges Engagement will sich momentan kaum jemand festlegen.

Neue Sponsoren sind für den Profiradsport derzeit überhaupt nicht zu finden. "Wer jetzt in den Radsport einsteigt, der muss schon sehr vergnügungssüchtig sein", bringt T-Mobile-Sponsoringleiter Christian Frommert die Situation auf den Punkt. Eine Erfahrung, die derzeit die Mannschaft von Lance Armstrong, Discovery, schmerzlich machen muss. Der Medienkonzern Discovery gab im Januar bekannt, zum Jahresende auszusteigen. Einen Nachfolger hat das Team bis jetzt nicht gefunden. Die Zeit läuft der Equipe davon: "Ich muss bei jedem Gespräch, das ich führe, für den gesamten Sport geradestehen", klagt Discovery-Manager Bart Knaggs frustriert.

Auch der älteste Teamsponsor im Geschäft, die französische Bank Credit Agricole, will nach Vertragsende 2008 aussteigen, über die Schnellkreditfirma Cofidis kursieren ähnliche Gerüchte. Der Sprecher des deutschen Mineralbrunnens Gerolsteiner, Stefan Göbel, schätzt die Chancen auf eine weitere Marketinginvestition in den Radsport nach 2008 bestenfalls auf "fifty-fifty". Man kalkuliere bei Gerolsteiner knallhart, ob man für seine neun Millionen Euro jährlich einen angemessenen Gegenwert bekomme, und das stehe derzeit massiv in Frage.

Nur bei T-Mobile sieht man das anders. Nach 16 Jahren im Radsport schaut man in Bonn nicht mehr nur auf den messbaren kurzfristigen Werbewert. Man fühlt sich dem Radsport verpflichtet und möchte als maßgebliche Kraft dabei mitwirken, dass der Sport seine Attraktivität und Glaubwürdigkeit wiedererlangt. Team-Manager Bill Stapleton hat dazu bereits sehr detaillierte Pläne. "Man kann nichts Grundsätzliches verändern, wenn man nur seine eigene Mannschaft reformiert", sagt er und kämpft deshalb darum, die Strukturen des gesamten Systems Radsport zu erneuern. Er träumt von einer zentralen weltweiten Vermarktung der Rennen durch eine Konsolidierung der bislang zerstrittenen Mannschaften und Rennveranstalter sowie von der Straffung und besseren Präsentation der existierenden Profirennserie in den Medien.

Doch all das, sieht Stapleton ein, steht und fällt mit der Lösung des Dopingproblems. Die Fortschritte auf diesem Gebiet, muss der gelernte Konzernmanager aus Seattle zugeben, seien jedoch "frustrierend zäh". Noch will er jedoch nicht aufgeben. Schließlich hatte Stapleton nach seiner Karriere als Marketingleiter von T-Mobile USA nach einer neuen Herausforderung gesucht. Die hat er jetzt gefunden.

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