Film: Das Déjà-vu

Die Idee ist gut, aber die Welt grad nicht bereit: "Annas Alptraum kurz nach 6" erinnert sehr an "Und täglich grüßt das Murmeltier".

Alles wie gehabt: Murmeltier, grüßt täglich. Bild: dpa

Und täglich kommt Anna Mareks kleine Tochter ans Bett und sagt: "Mama, Mia hat ins Bett gekotzt." Das Handy klingelt, ein Vogel fliegt gegen die Scheibe, Annas Mutter ruft an, ein Müllsack wird von einem Balkon geworfen. Dann hilft Hebamme Anna (Gesine Cukrowski), ein Kind zur Welt zu bringen. Und am nächsten Tag bringt sie dasselbe Kind wieder mit auf die Welt.

Denn Anna hängt in einer Zeitschleife fest: Sie will mit ihren Töchtern nach Italien fahren, in den ersten Urlaub seit Jahren. Doch vor die Erholung hat der liebe Gott den Stress gestellt, und es wird ein anstrengender Tag. Abends kommt Anna in Italien an. Doch als sie aufwacht, ist sie wieder in Mainz: Mia hat ins Bett gekotzt, Vogel, Müllsack, Geburt. Jeden Tag. Das ist "Annas Alptraum kurz nach 6".

Im Zentrum des Films steht die Frage, was passiert, wenn sich für einen Menschen alles wiederholt, Tag für Tag, wenn alles vorhersehbar wird - aber eben nur für einen Menschen, während alle anderen den Tag immer neu erleben. Gute Idee für einen Film. Nur: War da nicht mal was?

1993 kam "Und täglich grüßt das Murmeltier" in die Kinos, mit Bill Murray in der Hauptrolle. Als mies gelaunter Metereologe Phil Connors erlebt er den "Murmeltiertag" in Pennsylvania immer wieder, den Tag, an dem man der Sage nach am Verhalten der Murmeltiere sehen kann, ob es bald Frühling wird.

Das Setting bei "Annas Alptraum kurz nach 6" ist ein anderes; die Hauptperson ist hier eine Frau, sie lebt in Mainz, hat Kinder, ist bei weitem nicht so menschenfeindlich wie Phil Connors - natürlich erlebt sie also anderes als er. Aber vielleicht darf man sich dennoch kurz mal wundern, wie ähnlich die Geschichten erzählt und aufgebaut sind: Wie Phil verliebt sich Anna in einen Menschen, den sie an diesem Tag kennen lernt. Und je öfter der Tag wiederkehrt, desto besser lernt sie ihn kennen, ohne dass er das merken würde. Wie Phil verzweifelt Anna, bringt sich um, hält sich wach. Hilft aber nichts. Kurz nach sechs kotzt Mia trotzdem wieder.

Es handelt sich dabei nicht um ein Remake. Im SWR, der den Film in Auftrag gegeben hat, ist von einer "neu erdachten Geschichte" die Rede. Und man kann den Film auch die Verwandlung einer Steilvorlage nennen, die der Murmeltierfilm 1993 geliefert hat. Denn "Annas Alptraum kurz nach 6" ist ein gut gemachter, am Ende etwas weichgespülter, für sich jedoch sehenswerter Film. Regisseur Roland Suso Richter lässt, als Verweis auf die Vorlage, Anna jeden Morgen über ein Stoffmurmeltier stolpern. Richter geht also offensiv mit dem Vorbild des Films um. Und der spielerische Umgang mit Vorbildern, wie er ihn praktiziert, kann sogar eine große Qualität eines Films sein. Aber "Annas Alptraum" variiert ein Thema, das dank der relativ jungen Hollywoodvorlage noch sehr präsent ist und vielleicht noch nicht bereit für eine Variation. "Annas Alptraum" leidet 87 Minuten lang darunter, dass man alles, was passiert, schon einmal gesehen zu haben scheint.

Man kann das natürlich auch als die Stärke des Films betrachten: Als Zuschauer wird man quasi in die Grundsituation der Handlung hineinversetzt. Im Pressematerial zum Film heißt es in der Beschreibung des Themas: "Jeder von uns kennt die Situation: ein Déjà-vu - das Gefühl, in genau der gleichen Lage schon einmal gewesen zu sein."

Genau: 1993. Im Kino.

("Annas Alptraum kurz nach 6": 18.Juli, 20.15 Uhr, ARD. "Und täglich grüßt das Murmeltier": bei jedem DVD-Verleih.)

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